Die Bilder waren für die meisten Medien zu grausam, um sie ihren Lesern oder Zuschauern zuzumuten: Zerfetze Körper, Blut und Panik. Als sicher kann gelten, dass das Geschoss, das zwölf junge Menschen beim Fußballspiel in dem drusischen Dorf Madschdal Schams in den Tod gerissen hat, aus iranischer Produktion stammt. Vor diesem Hintergrund ist es plausibel, dass Israel die mit dem Mullah-Regime verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah für die Attacke auf den Golanhöhen verantwortlich macht.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Bereits in der Nacht nach dem Blutbad vom Samstag bombardierte die israelische Luftwaffe mehrere Hisbollah-Ziele im Libanon. Für die Opfer des Angriffs auf den Golan und deren Angehörige macht es keinen Unterschied, ob die Hisbollah gezielt auf den Sportplatz gefeuert hat oder ihr Angriff einer höher gelegenen israelischen Militärbasis gegolten hatte. Die Verantwortung liegt bei der Hisbollah.
Das iranische Geschoss traf muslimische Kinder und Jugendliche
Beispiellos ist, dass die toten drusischen Kinder und Jugendlichen wie die Angreifer muslimischen Glaubens sind. Anders als in vergleichbaren und ebenfalls scharf zu verurteilenden Fällen, bei denen schutzlose palästinensische Flüchtlinge in Gaza Opfer israelischer Bomben wurden, kann nicht davon die Rede sein, dass Israel - wie es die Hamas, aber auch die Hisbollah tut - Zivilisten als Schutzschild missbraucht.
Dass die iranische Führung reflexhaft Israel verantwortlich gemacht hat, ist so voraussehbar wie perfide. Solange Teheran nicht von seinem irrsinnigen Plan ablässt, Israel auszuradieren, bleibt ein echter Friede im Nahen Osten kaum erreichbar. Die abstruse Drohung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an Israel mit einer militärischen Einmischung in den Konflikt dürfte unter die Rubrik Schaumschlägerei fallen. Trotz der äußerst aufgeheizten Atmosphäre gibt es noch immer gute Gründe für alle Beteiligten, die gegen eine kaum kontrollierbare Ausweitung des Konfliktes sprechen..
Es gibt für alle Beteiligten gute Gründe, klaren Kopf zu behalten
Doch trotz der aufgeheizten Atmosphäre gibt es noch immer gute Gründe für alle Beteiligten, die gegen eine kaum kontrollierbare Ausweitung des Konfliktes sprechen. Washington, der wichtigste Unterstützer Israels, wird versuchen, Netanjahu von einer Bodenoffensive abzuhalten. Auch innerhalb der Führung der israelischen Armee wird ein Einmarsch in den Libanon sehr kritisch gesehen.
Bleibt zu hoffen, dass besonne Kräfte die Oberhand behalten. Vertreter der in Teilen rechtsextremen Parteien, die der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angehören, fordern nicht nur massive Bombardements, sondern einen Großangriff mit Bodentruppen. Die Geschichte hat gezeigt, dass es zwar einfach ist, eine Offensive zu beginnen, sie erfolgreich zu beenden, ist jedoch ungleich schwerer - wie sich jetzt erneut in Gaza zeigt. Das Problem ist, dass das israelische Militär ganz offensichtlich nicht über ein Konzept verfügt, den Raketenbeschuss durch die waffenstarrende Hisbollah von israelischem Territorium aus zu unterbinden.
Israel ist in einer äußerst schwierigen Situation
Israels Regierung hat bis heute keine Perspektive für die Zeit nach dem Krieg in Gaza entwickelt. Radikale Elemente in der Regierung heizen mit einem rücksichtslosen Siedlungsbau die Lage im Westjordanland weiter an. Erschwerend kommt hinzu, dass laut Umfragen ein großer Teil der Israelis nicht hinter der Regierung steht. Der Dauerkonflikt an mehrere Fronten ist zudem Gift für die Wirtschaft des Landes.
So verständlich die Rufe nach massiven Vergeltung sein mögen, so gefährlich sind sie. Nicht nur israelische Militärexperten warnen eindringlich davor, dass die Streitkräfte Gefahr laufen, ihre militärischen Fähigkeiten zu überdehnen.
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