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Kommentar: In der Corona-Politik klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander

Kommentar

In der Corona-Politik klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander

Michael Pohl
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    Trotz Rekordinfektionszahlen streitet Deutschland über die Maskenpflicht
    Trotz Rekordinfektionszahlen streitet Deutschland über die Maskenpflicht Foto: Christophe Gateau, dpa

    Ginge es nach der kleinsten Partei der Bundesregierung, wäre das Ende von Corona beschlossene Sache. Die FDP schaffte es, sich mit dieser Haltung gegen ihre großen Koalitionspartner durchzusetzen: Im Gesetzesblatt enden am Sonntag die bundeseinheitlichen Corona-Maßnahmen. Doch das Virus will es, dass zur gleichen Zeit die Zahl der Corona-Infektionen täglich einen neuen Rekord in Deutschland erreicht. Allein dieser Umstand zeigt, wie weit Wunsch und Wirklichkeit auch im beginnenden dritten Jahr der Pandemie auseinanderklaffen.

    Die Politik kann das Ende der Pandemie leider nicht einfach beschließen. Das Virus folgt nicht Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes, sondern Zufälligkeiten innerhalb schwer berechenbarer Naturgesetze. Dennoch: Die Zeit ist reif für Lockerungen. Das hängt aber weniger an kluger Pandemiepolitik, sondern eher am Wetter.

    Warten auf den Wendepunkt der Corona-Rekordinfektionen

    Das Ende des Winters erschwert dem Virus die Verbreitung, ebenso die immer größer werdende Zahl von Menschen, die sich mit Omikron angesteckt haben und dadurch immunisiert wurden. Man darf deshalb erwarten, dass die aktuelle Infektionskurve bald ihren Höhepunkt erreicht und wieder abfällt. Experten erwarten den Wendepunkt derzeit für Anfang April.

    Die ungeklärte Frage ist: Was kommt dann? Macht Corona nur wieder Sommerpause oder schwächt sich die Pandemie ab? Es gibt Stimmen aus der Wissenschaft, die nach Omikron keine Variante mehr erwarten, deren Gefährlichkeit wieder ansteigt. Aber es gibt ebenso Stimmen, die vor einer gefährlicheren Variante im nächsten Herbst warnen. Bislang lagen eher die Warnenden richtig, aber auch das muss nicht immer so sein. So oder so: Für einen Abschiedsgesang auf das Virus ist es zu früh.

    Fehleinschätzungen der Omikron-Variante

    Schon die aktuelle Lage erscheint unübersichtlich: Es herrscht in Deutschland der Eindruck, die Omikron-Variante sei harmlos, weil trotz schwindelerregend hoher Infektionszahlen die Zahl der Intensivpatienten und Toten kaum steigt.

    Doch die enorm hohe Infektionszahl liegt daran, dass sich Millionen Menschen trotz Impfung anstecken, weil Omikron die erste Stufe des Impfschutzes durchbricht. Die zweite Stufe, der Schutz vor einem lebensgefährlichen Krankheitsverlauf, hält jedoch auch gegen Omikron, zumindest bei Menschen mit stabilem Immunsystem. Für durch Alter und Krankheit geschwächte Menschen war Omikron auch mit Impfung nie harmlos.

    Wie gefährlich Omikron wirklich ist, muss derzeit die Bevölkerung in Hongkong erleben: Weil nur eine Minderheit einen ausreichenden Impfschutz hat, sterben dort jeden Tag Hunderte. Rechnet man diese Zahl auf die deutsche Bevölkerung hoch, wären das 3000 Tote am Tag. Auch China, dessen Bevölkerung kaum mit modernen mRNA-Impfungen geschützt ist, kämpft bereits mit Lockdowns in Millionenstädten verzweifelt gegen eine verheerend tödliche Omikron-Welle.

    Ruf der Corona-Impfungen leidet unter Omikron

    In Deutschland erweisen sich dagegen die Impfungen als Segen für die schrittweise Rückkehr zur Normalität. Doch der Ruf der Impfstoffe leidet darunter, dass sie eine Omikron-Infektion nicht verhindern konnten, die viele wie eine heftige Grippe erwischt. Obwohl die Impfungen ihren lebensrettenden Zweck erfüllen, fühlen sich viele wieder ohnmächtig ausgeliefert.

    Auch das macht es Befürwortern schwer, die für eine Impfpflicht werben, um für den Herbst auf Nummer sicherzugehen. Die Pflicht wäre wohl das erfolgversprechendste, aber auch umstrittenste Mittel zur Rückkehr zum normalen Leben. Deshalb hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, dass alle Parteien über ihren Schatten springen und ohne taktische Spielchen darüber streiten und entscheiden.

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