Die Einladung von Dienstag früh ist knapp gehalten, 12 Uhr, Bayerische Vertretung in Berlin, eine Pressekonferenz mit Friedrich Merz und Markus Söder. Kaum denkbar, dass es dann um etwas anderes geht als um die Frage, wer Kanzlerkandidat von CDU und CSU wird. Kaum denkbar, dass der Kandidat dann nicht Friedrich Merz heißt.
Eigentlich hatten CDU und CSU vereinbart, die Entscheidung erst nach den Landtagswahlen am Sonntag in Brandenburg zu verkünden. Doch seit der Ansage von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Montagabend, dass er Merz unterstützte, hat die Kandidatensuche eine neue Dynamik erhalten.
Wüsts Ansage mag nicht fair gewesen sein, aber was politische Machtaktik angeht, kann man von NRWs jungem Ministerpräsidenten viel lernen. Der Mann, der – derzeit – ohnehin so gut wie keine Chance hatte, Kanzlerkandidat der Union zu werden, stilisiert sein Einlenken in diese Tatsache in einer kurzen Rede am Montagabend als Verzicht und hebt gleichzeitig Friedrich Merz auf den Kandidatensessel. Wüst, der in dem Rennen so gut wie keine Rolle mehr spielte, wird so zum Königsmacher. Hut ab, taktisch eine Meisterleistung. Zumal Wüst auch mit einem Kanzler Merz gut leben kann. Bei den nächsten Wahlen, 2029, ist der bald 75 und Wüst noch immer nur Mitte 50. Dann könnte die Zeit für den Mann gekommen sein, der in NRW geräuschlos mit den – Vorsicht! – Grünen regiert. Wer weiß, vielleicht gibt es sogar eine lockere Absprache zwischen den beiden CDU-Männern?
Markus Söder wurde von Wüsts Bekenntnis zu Merz wohl kalt erwischt
Wie kalt Markus Söder von der Ankündigung aus dem fernen Nordrhein-Westfalen erwischt wurde, zeigt sich daran, dass der CSU bis heute 12 Uhr jedenfalls etwas tut, was man eigentlich nicht so von ihm kennt – er schweigt. Andere CSU-Granden, wie der wichtige Chef der Landtagsfraktion Klaus Holetschek geben ihren Unmut dagegen offen zu Protokoll. So war das nicht ausgemacht, schimpft der CSU-Mann.
Das stimmt natürlich – bis zu einem gewissen Grad. CDU und CSU, Merz und Söder hatten vereinbart, dass sie Kandidatenfrage einvernehmlich nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland klären. Das wäre kommenden Montag. Dass Wüst nun vorgeprescht ist, steht dem aber nicht entgegen, da er streng genommen nur einen Klärungsprozess innerhalb der CDU in Gang setzt. Trotzdem entfaltete Wüsts Manöver sogleich neue Dynamik. Manuel Hagel, Vorsitzender des zweiten großen CDU-Landesverbandes Baden-Württemberg, lobte Wüst auf dem Nachrichtendienst X für seine gelungene Rede – und stoppte nur kurz vor einer Unterstützung von Merz.
Und der neu ernannte CDU-Arbeiterführer Dennis Radtke, ein großer Fan des bayerischen Königs Ludwig II., fordert Söder trotz der Freundschaft zu Bayern umgehend zum Einlenken auf. Beiden half, dass sie sich gut hinter Wüsts Forderung einreihen konnten, jetzt müsse die Union möglichst große Geschlossenheit wahren.
Dem konnte sich am Ende wohl auch Söder nicht entziehen. Daher die rasch anberaumte Pressekonferenz. Bayerns Regierungschef hat zuletzt mehrfach zu erkennen gegeben, dass er Interesse daran hat, für die Union als Kanzlerkandidat anzutreten. Beim Gillamoos-Volksfest, im Spiegel, an anderen Orten. Das ist völlig in Ordnung. Als CSU-Chef hat Söder jedes Recht, seinen Hut in den Ring zu werfen, zumal seine Umfragewerte bei den Bürgerinnen und Bürger besser sind als die von Merz. Gleichzeitig muss Söder erkennen, wenn er zu weit geht. Er darf nicht den Eindruck erwecken, er würde, wie 2021 beim Ringen mit Armin Laschet, den Kampf ums Kandidatenamt erneut auf die Spitze treiben. Damals war er der Stärkere und zuckte am Ende dennoch, als Wolfgang Schäuble ein spätes Machtwort sprach.
Merz hat die CDU hinter sich geeint
Jetzt scheint bei Söder die Einsicht gereift, dass seine Chancen heute deutlich schlechter stehen als 2021. Denn man kann über Merz sagen, was man will, aber er hat die CDU hinter sich geeint – mit einer Politik, die sich etwa in der Flüchtlingsfrage weit von der Angela Merkels abwendet. Damit hat er sich auch in der CSU viele Freunde gemacht. Zugleich befremdet Söders Feldzug gegen die Grünen immer mehr in der CDU. Parteivize Karin Prien, die auch Bildungsministerin in Schleswig-Holstein ist, reagierte auf einen Anti-Grünen-Tweet der CSU zuletzt mit der Ansage: Jetzt sei auch mal gut.
Klar ist: Die Klärung der K-Frage heute Mittag in Berlin ist nur ein erster Schritt. Wichtig ist, dass nach einer Entscheidung, wohl für Merz, dann auch Geschlossenheit herrscht. Ob Söder im Falle eines Kandidaten Merz sich wirklich zwölf Monate brav und loyal in dessen Wahlkampf einreiht? So richtig mag man es nicht glauben.
An sich sollten so etwas die Parteimitglieder der Union basisdemokratisch entscheiden. Dann wäre auch wohl der Rückhalt bei den eigenen Wählern am größten. Mit dem Wegfall der Direktmandatsregel für 2025 wird wohl die CSU der eindeutig schwächere Partner in der Union.
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