Vom Verstande her ist es einfach nicht zusammenzubringen: Deutschland leistet sich eine Armee, die jedes Jahr viele Milliarden kostet und trotzdem nicht kämpfen kann. Denn nach wenigen Tagen ginge den Soldaten die Munition aus. Kapitulation in der ersten Kriegswoche.
Der desaströse Zustand der Bundeswehr ist seit Jahren bekannt, aber man hatte den Verteidigungsministern und der Generalität noch so viel Rest-Geist zugestanden, genügend Patronen, Granaten und Geschosse vorzuhalten. Es zeigt sich jetzt, das war der Erwartung zu viel. Nach dem russischen Überfall der Ukraine wird das Siechtum der Streitkräfte plötzlich als gefährliches Problem dringlich.
Deutschland hat nichts aus dem Afghanistan-Debakel gelernt
Das Fiasko des überstürzten Abzugs aus Afghanistan im Sommer vergangenen Jahres hatte noch nicht ausgereicht, um die Öffentlichkeit und die Politiker wachzurütteln. In den chaotischen Tagen von Kabul wäre Deutschland ohne die Unterstützung des US-Militärs völlig hilflos gewesen. Doch im Wahlkampf zur Bundestagswahl war die beklagenswerte Konstitution der Truppe kein zugkräftiges Thema.
Die sicherheitspolitische Blindheit hat ihre Wurzeln in der Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik. Armee, Wehrhaftigkeit und Interessendurchsetzung verströmten den Geruch des alten Nazi-Deutschlands. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall der akuten Bedrohung konnten diese Vorbehalte voll entfalten, die zum ideologischen Fundament des linken Spektrums zählten. Die Konservativen bekannten sich zwar habituell zur Bundeswehr, aber nicht strukturell.
In Deutschland regierte eine Allparteienkoalition der Ignoranz in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Wenn Armee irgendwie sein muss, dann als Technisches Hilfswerk in grünen Uniformen. Das war das heimliche Leitbild. Das 25-jährige Politikversagen lässt sich nicht binnen Monaten wettmachen. Es dauert Jahre. Die Ukraine sollte sich darauf einstellen, dass aus Deutschland weniger Kriegsgerät und Munition kommt. Die Bundeswehr sollte sich darauf einstellen, dass es eine ganze Weile dauert, bevor es besser wird.