Der aktuelle Mindestlohn ist zu niedrig, er garantiert in viel zu vielen Fällen nicht einmal das Existenzminimum. Doch seine Erhöhung muss mit Umsicht und Augenmaß angegangen werden, nicht mit wohlfeilen Wahlkampf-Versprechen nach dem Motto „Wer bietet mehr“. Zwölf Euro kündigen Grüne und SPD an für den Fall, dass sie an die Regierung kommen, 13 Euro die Linkspartei. Glatte, willkürlich gewählte Zahlen mit Preisschildcharakter, am Ende droht ein Überbietungswettbewerb.
Mindestlohn: Der bewährte Weg ist der bessere
Eine Mindestlohn-Erhöhung darf nicht im politischen Übereifer an die Wand gefahren werden, gerade weil so viele Millionen Menschen davon profitieren würden. Menschen, denen in der Pandemie applaudiert wurde, weil sie das Land am Laufen halten. Wer aber etwa als Kassierer oder Paketbotin in Vollzeit arbeitet, muss in einem der reichsten und wirtschaftsstärksten Länder der Welt auch davon leben können. Zudem ist der Unterschied zwischen Mindestlohn und Hartz-IV zu gering, das schafft in manchen Fällen Fehlanreize. Weil das Amt Grundsicherungs-Beziehern auch die Miete überweist, gilt das insbesondere in Städten mit hohen Wohnkosten. Und am Ende eines Erwerbslebens mit Niedriglohn droht dann auch noch ein Alter in Armut.
Rauf mit dem Mindestlohn, mit den Löhnen insgesamt, das ist also das absolut richtige Ziel. Vielleicht ist zwölf Euro auch die richtige Höhe – aber diese einfach auf staatliche Anordnung festzulegen, ist der falsche Weg. Über die Weiterentwicklung des Mindestlohns sollte weiter die bewährte Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verhandeln. Denn in einer Phase, in der die Corona-Pandemie noch nicht überwunden ist und keineswegs feststeht, dass sich die Wirtschaft schnell erholt, kann eine allzu plötzliche und heftige Steigerung der Lohnkosten zur gefährlichen Wachstumsbremse werden.
Vom Mindestlohn können am Ende alle profitieren - unter bestimmten Voraussetzungen
Wenn die Kommission nicht schnell genug weiterkommt, darf der Staat gerne nachhelfen. Etwa indem er die Unternehmen an anderer Stelle so entlastet, dass diese sich die höheren Personalausgaben auch leisten können – ohne die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Von einem Mindestlohn, der nach sachlichen statt ideologischen Kriterien schrittweise, am Wirtschaftswachstum orientiert und staatlich intelligent flankiert angehoben wird, könnten am Ende alle profitieren. Millionen Leistungsträger der Gesellschaft hätten mehr Geld in der Tasche. Geben sie es aus, freut sich die Wirtschaft über steigenden Konsum. Davon profitiert der Staat etwa über die Mehrwertsteuer und muss zudem weniger für Aufstockungsleistungen ausgeben.