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Kommentar: Herr Scholz, halten Sie Ihr Versprechen an die Wirte!

Kommentar

Herr Scholz, halten Sie Ihr Versprechen an die Wirte!

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    Eine Bedienung wischt einen Tisch im Restaurant sauber.
    Eine Bedienung wischt einen Tisch im Restaurant sauber. Foto: Hannes P Albert

    In der deutschen Gastronomie droht eine mächtige Schließungswelle, wenn die wegen Corona reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen wieder steigt. Geplant ist das zum Jahresende und die Bundesregierung macht bisher keine Anstalten, die Regelung ein weiteres Mal zu verlängern. Dabei hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf sogar noch mehr in Aussicht gestellt. Der damalige Finanzminister sagte vor zwei Jahren, er habe der Maßnahme in dem Bewusstsein zugestimmt, dass sie „nie wieder“ abgeschafft werde. Zu seinem Versprechen sollte er sich jetzt schnell bekennen und die Mehrwertsteuer dauerhaft bei sieben statt der früheren 19 Prozent belassen. 

    Die Wirte stehen von allen Seiten unter Druck

    Zwar ist immer Skepsis geboten, wenn eine gut organisierte Berufsgruppe klagt, dass ihr ohne diesen Zuschuss oder jene Erleichterung das Ende droht. Und ist eine Subvention erst einmal in Kraft, ist der Zeitpunkt für ihr Auslaufen natürlich immer gerade besonders schlecht. Auch die Gastronomie hat in der Vergangenheit nicht selten auf hohem Niveau gejammert. Darum werden die aktuellen Warnungen teils leichtfertig überhört – dabei sind sie alles andere als übertrieben. 

    Wer ein Restaurant, eine Pizzeria oder ein Wirtshaus betreibt, steht gerade von allen Seiten unter Druck. Die Preise für Energie und fast alle Lebensmittel sind explodiert, die Löhne für Köchinnen und Kellner ebenso wie die Mieten deutlich gestiegen. Unter der Teuerung leiden auch die Gäste, die teils zuerst bei Restaurantbesuchen sparen. Weitere Preiserhöhungen würden sie kaum mitmachen. Nach den Härten der Corona-Zeit wird es selbst krisengestählten Gastronomen jetzt zu viel. Manche reduzieren erst einmal Angebot oder Öffnungszeiten, viele denken darüber nach, bald ganz zu schließen.

    Mehrwertsteuer für Speisen: Kaum nachvollziehbare Regeln

    Falsche Botschaften aus der Politik können da leicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Ohnehin ist die Mehrwertsteuer-Praxis beim Essen kaum nachvollziehbar. Nach der Regelung, zu der die Regierung wieder zurückwill, soll ein Gericht, wenn es im Restaurant verzehrt wird, mit 19 Prozent besteuert werden. Wenn der Kunde es abholt oder sich von einem Lieferdienst bringen lässt, aber mit lediglich sieben Prozent. Wer nur noch liefert, Pizza, Schnitzel und Thai-Curry in derselben Großküche im Industriegebiet zubereitet, ist also klar im Vorteil. Wer einen schönen Gastraum in teurer Innenstadtlage betreibt, Geschirr, Besteck und Tischwäsche stellt sowie Servicepersonal bezahlt, soll in die Röhre schauen? Dazu darf es nicht mehr kommen.

    Restaurants sind mehr als nur Verkaufsstellen für Kalorien. In Großstädten mag der Verlust einzelner Betriebe noch zu verkraften sein, macht dagegen in einem Dorf das letzte Wirtshaus zu, verliert eine Gemeinschaft ihren Mittelpunkt, leiden Zusammenhalt und Lebensqualität. Alles, was dazu beiträgt, lebendige Gastronomiekultur zu erhalten, ist letztlich auch Demokratieförderung. 

    Geschlossene Restaurants zahlen gar keine Steuern

    Ja, von einer dauerhaft niedrigen Mehrwertsteuer würden nicht nur sympathische Traditionslokale profitieren, in denen regionale Spezialitäten frisch zubereitet werden. Sondern ebenso gesichtslose Konzerne der Systemgastronomie. Natürlich würden auch weniger Steuern fließen, zumindest auf dem Papier. Doch wenn immer weniger Menschen es sich leisten können, ab und zu auswärts zu essen, wären trotz höherem Satz die Gesamteinnahmen womöglich niedriger. Und aus geschlossenen Restaurants, das ist die so einfache wie bittere Wahrheit, fließt gar kein Geld mehr an den Fiskus.

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