Wenn Fußballkaiser Franz Beckenbauer früher die dürftigen Leistungen der Nationalmannschaft kritisierte, benutzte er dafür den Begriff "Rumpelfußball". Wäre Beckenbauer das echte Staatsoberhaupt Deutschlands, könnte er seinen Begriff prima auf die amtierende Bundesregierung ummünzen. Das Ampelbündnis ist auf dem besten Wege zur Rumpelkoalition.
Der jüngste Versuch, sich zusammenzuraufen, ging völlig schief. Statt neue Gemeinsamkeiten zu finden, schaufelten die drei Parteien in der 30-stündigen Abnutzungssitzung die trennenden Gräben tiefer. Statt Mannschaftsgeist und Miteinander prägen die Koalition mittlerweile Missgunst und Gegeneinander. Kaum ist der Krach um Heizungen, den Ausbau der Autobahnen und die Zukunft des Verbrennermotors verhallt, spitzt sich der Kampf um die Kindergrundsicherung zu.
Der Kampf gegen den Klimawandel wird jetzt konkret
Verschiedene Ursachen sind es, die das Regierungsbündnis in die Beziehungskrise stürzten. Im ersten Jahr schweißte der russische Einmarsch in die Ukraine SPD, Grüne und FDP zusammen. Sie mobilisierten auf Kredit Milliarde um Milliarde – für die Bundeswehr oder die Abwehr des Energieschocks. Nun, da der Krieg in der Ukraine traurige Normalität geworden ist, lässt der äußere Druck nach. Die Ampel wendet sich dem zu, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart hatte. Bedeutendstes Thema ist der Kampf gegen den Klimawandel. Die Abnabelung der Wirtschaft und der Gesellschaft von Kohle, Öl und Gas wird jetzt für den Einzelnen konkret, wie die neuen Vorgaben für den Heizungskeller symptomatisch zeigen.
Weil aber Finanzminister Christian Lindner die Härten nicht mehr auf Pump abfedern will, wächst der Widerstand in der Bevölkerung. Das bekommen gerade die Grünen zu spüren, die in den Umfragen in der Gunst verlieren. Zur schrumpfenden Zustimmung der Wähler kommt das Gefühl hinzu, dass SPD und FDP gemeinsame Sache gegen sie machen. Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD nimmt aus der Warte der Grünen zu viel Rücksicht auf die Freien Demokraten, weil er nach der Serie der FDP-Wahlschlappen nicht riskieren will, dass die Liberalen aus der Regierung austreten. Scholz persönlich werfen sie vor, eine konsequente Klimaschutzpolitik zu bremsen, weil er den Leuten nichts zumuten wolle.
Schritt für Schritt ist Scholz' Motto
An diesem Vorwurf ist einiges dran. SPD und FDP bewerten die Klimapolitik der Grünen als weltfremd. Eine Industrienation wie Deutschland könne es sich zum Beispiel nicht leisten, auf Sanierung und Ausbau der Autobahnen zu verzichten. Innerhalb der Koalition ist also die Balance verrutscht und es sieht nicht danach aus, dass sie wieder ins Gleichgewicht gesetzt wird.
Vielleicht kann man einer Gesellschaft beim Klimaschutz nicht mehr zumuten. Klar ist auch, dass das Beschlossene nicht reicht, damit Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts seinen CO2-Ausstoß auf Null senkt. Dieses Ziel war wahnsinnig ehrgeizig, aber schon beim ersten Gegenwind wird es einkassiert. Die FDP hat es geschafft, den Grünen erneut das gefürchtete Label "Verbotspartei" umzuhängen. Und die Grünen bestanden auf dem Abschalten der drei letzten deutschen Atommeiler und verhalfen Kohlekraftwerken zu einer späten Blüte. Das gegenseitige Belauern, das Punktemachen auf Kosten der Partner, ist zurück. Wahrscheinlich ist das Rumpeln der Normalzustand in der Politik. Ihren Anspruch hat die Ampel aber damit aufgegeben.