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Habeck vs. Lindner: Ampel vor Steuerschätzung am Scheideweg

Kommentar

Habeck fordert Lindner: Die Ampel sollte einen Schlussstrich ziehen

Rudi Wais
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    In der Sache weit auseinander: Christian Lindner und Robert Habeck.
    In der Sache weit auseinander: Christian Lindner und Robert Habeck. Foto: Carsten Koall/dpa

    Zuschüsse für Unternehmen, die investieren, günstigere Strompreise und weniger Datenschutz: Mit seinen teilweise schon bekannten, nun aber noch einmal recycelten Reformvorschlägen spricht Wirtschaftsminister Robert Habeck vielen Betrieben aus der Seele. Für die Ampelkoalition allerdings sind sie das pure Gift, weil der Grüne seinen „Deutschlandfonds“ auf Pump finanzieren will und damit einmal mehr Finanzminister Christian Lindner herausfordert, der schon große Mühe hat, die aktuellen Milliardenlücken im Etat für das kommende Jahr zu schließen.

    Kurz vor der Steuerschätzung an diesem Donnerstag gießt Habeck nun noch einmal Öl ins Ampelfeuer. Und so ehrenwert sein Motiv auf der einen Seite auch sein mag, nämlich der Wirtschaft wieder auf die Sprünge zu helfen, so durchsichtig ist es auf der anderen Seite auch. Im allmählich beginnenden Bundestagswahlkampf will Habeck als Minister punkten, der Deutschlands Unternehmer nicht im Rezessionsregen stehen lassen würde - und Lindner gleichzeitig als den Mann vorführen, an dem alles scheitert, weil er auf der Schuldenbremse steht und kein frisches Geld mehr locker macht.

    Koalitionen sind schon an nichtigeren Konflikten zerbrochen, und dabei spielt es schon fast keine Rolle mehr, ob zum Ausgleich des Bundeshaushaltes nun zwölf Milliarden Euro fehlen, wie es im Sommer noch hieß, oder weit über 40 Milliarden, wie die Union jetzt unkt. So oder so dürfte das Ergebnis der Steuerschätzung für die Ampel ernüchternd ausfallen.

    Steuerschätzung sorgt für Unmut: Friedrich Merz wildert auch im Lager der Liberalen

    Mit der Wirtschaft schrumpfen auch die erwarteten Steuereinnahmen, das engt den politischen Gestaltungsspielraum enorm ein und würde eine Regierung im Normalfall dazu zwingen, eine Reihe ihrer Reformvorhaben zu überprüfen, zum Beispiel das überteuerte Bürgergeld oder die geplante Grundsicherung für Kinder. Bei der Ampel aber, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, ist nichts normal. Grüne und Sozialdemokraten hätten kein Problem damit, sich auf Kosten ihrer Kinder- und Enkelgenerationen immer weiter zu verschulden, haben dafür aber mit der FDP den falschen Koalitionspartner, die sich im wild blinkenden Regierungsdreier als Anwältin der ökonomischen Vernunft versteht.

    Ob Parteichef Lindner will oder nicht: Die Steuerschätzung wird zum Menetekel für die Ampelparteien. Gelingt es ihnen nicht, im nächsten Jahr mit weniger Geld auszukommen, wäre eine vorzeitige Trennung nur konsequent. Sich durchzuwursteln bis zum regulären Wahltermin im September ist vor allem für die Liberalen riskant, die 2013 schon einmal aus dem Bundestag geflogen sind, weil ihr Gestaltungsanspruch und die Reformscheu einer Angela Merkel nicht zueinander passen wollten, den meisten Menschen aber die Kanzlerin näher war als ihr Vizekanzler Guido Westerwelle. Nun kommt für die FDP noch ein weiteres Problem dazu: Friedrich Merz hat als Kanzlerkandidat der Union mit seinen ökonomischen und ordnungspolitischen Positionen auch im liberalen Milieu viele Fans. Laufen sie aus Frust über die Politik der Ampel zu ihm über, kann das die FDP genau die Stimmen kosten, die sie für den Wiedereinzug in den Bundestag benötigt.

    Lieber nicht regieren als schlecht zu regieren, hat Lindner gesagt, als er 2017 die Gespräche über eine Jamaika-Koalition platzen ließ. Nun muss er sich an seinen Worten von damals messen lassen. Ein schneller Ausstieg aus der Ampel wäre keine Flucht aus der Verantwortung, sondern ein Signal des Aufbruchs. Schlechter kann es ja kaum noch werden.

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    8 Kommentare
    Burghard Deichmann

    Und dann Herr Wais? Sollen dann die Versager von der CSU wieder an die Macht kommen. Lieber nicht.

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    Klemens Hain

    Da bin ich auch ganz und gar Ihrer Meinung Herr Deichmann. Auch Herr Leonhard hat in seinem Kommentar Herrn Lindner Gut beschrieben, nichts zu Stande gebracht, als nur nein sagen und Opposition betreiben in der Regierung. Ich glaube bei dieser Lage in Deutschland bin ich auch der Ansicht, dass Schuldenbremse nicht das Richtige ist, sondern Geld in die Hand nehmen und den Unternehmen zu helfen und Deutschland auf Vordermann bringen. Ich finde Herr Habeck hat das erkannt und der Bürokratische Abbau ist dringend Notwendig!!!

    Maria Reichenauer

    Es wird leider so kommen – Scholz arbeitet schon an der Schleimspur zu Merz. Manchmal wünsche ich mir, die Grünen würden aus der Koalition aussteigen, bevor sie sich selbst zerstören. Vielleicht hat sich Scholz aber auch verrechnet und es reicht nicht mit Fritz … die Grünen werden Zulauf bekommen, wenn sich die SPD weiter so nach rechts bewegt. Es muss doch noch Menschen in diesem Land geben, die Toleranz, Menschlichkeit und das Grundgesetz mehr schätzen als die Parteien, die sich zusehends nach rechts orientieren. Was Herr Wais unter Aufbruch versteht, ist schleierhaft. Mit Merz und Söder gibt es keinen Aufbruch in bessere Zeiten, sondern Rückschritt und allgemeines Herumtrampeln auf die Bürgergeldempfänger und Asylbewerber. Lindner als Anwalt der ökonomischen Vernunft? Da hört man mich einige Straßen weiter noch laut lachen. Wenn einer nicht erkannt hat, dass die Hütte brennt, dann ist er es. Aber vielleicht muss er in der neuen Legislatur ja nicht einmal mehr zum Löschen kommen.

    Wolfgang Leonhard

    Herr Wais glaubt anscheinend, dass nach Neuwahlen mehr Geld in der Kasse ist. Der Unterschied ist lediglich, dass Merz dann plötzlich den Notstand entdecken und zusammen mit der SPD eine erhöhte Neuverschuldung beschließen wird - wenn das dann angesichts der Mehrheiten noch möglich ist. Lindner wird jedenfalls kein Finanzminister sein, der in die Geschichte seines Hauses eingehen wird. Er hat rein gar nichts zustande gebracht, außer zu Allem Nein zu sagen.

    Richard Merk

    Zitat Herr Wais: "Ein Ausstieg aus der Koalition wäre ein Signal des Aufbruchs." Aus der Sicht von Herr Wais wäre das ein Signal zur Ausweitung des Niedriglohnes, noch längere Schlangen an den Tafeln und an jeder Ecke ein Bettler. Bei einem vermutlich überdurchschnittlichen Gehalt eines Chefjournalisten der Augsburger Allgemeine lässt sich anscheinend nur bei denen, die eh nichts haben, noch etwas wegnehmen. Zaubern kann auch ein Herr Wais nicht und wenn das Einsparen an der untersten Gesellschaftsschicht alles ist was er vorschlagen kann, ist und bleibt es ein Armutszeugnis. Im Übrigen liegt Deutschland mit seiner Verschuldung noch weit unter dem Durchschnitt aller EU-Länder.

    Wolfgang Boeldt

    Was brächte jetzt ein Bruch/Ausstieg aus der Koalition? Vielleicht 3-4 Monate Neuwahlen vor dem regulären Termin. Also nichts - vermutlich nur mehr Kosten. Und wenn ein "Nein" gegenüber den grünen und roten Finanzhasardeuren gerechtfertigt ist , dann ist es so. Und bei etwa 2,5 Billionen € Schulden braucht man jemand der das Geld zusammenhält. Lindner macht mehr richtig als ein Großteil der restlichen Minister. Zugegeben - ist nicht so ganz einfach zu verstehen.

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    Maria Reichenauer

    Ja, das verstehen tatsächlich nur die GANZ Schlauen. Herr Lindner hat vielleicht ein Trauma aus seiner Zeit als erfolgloser Unternehmer; dass die Wirtschaft in dieser besonderen Lage tatsächlich Geld und Ideen braucht, hat er nicht kapiert. Und Herr Wais auch nicht. Die Länder um uns herum werden gelobt für ihre (anscheinend) florierende Wirtschaft, aber diese Staaten wie z.B. Frankreich und die USA haben auch ordentlich Geld in die Hand genommen, um die Wirtschaft zu fördern. Deutschland könnte es sich leisten, denn es hat in Sachen Schuldenaufnahme im europäischen Vergleich noch ordentlich Luft nach oben. Aber Lindner bremst, Scholz bereitet sich intensiv auf eine Groko mit Merz vor, Söder verbreitet Unwahrheiten – die Ideen Habecks werden durch kleinkarierte Manöver ausgebremst. Habeck ist der einzige kreative Kopf in der Führungsriege. Vielleicht wird man ihn in ein paar Jahren nicht mehr als Hasardeur bezeichnen wollen.

    Marcus Kaiser

    Was ist bitte am Bürgergeld "überteuert"? Was spricht dagegen, Kinder aus der Armut zu befreien?

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