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Kommentar: Grundrente? Willkommen in der sozialpolitischen Traumfabrik

Kommentar

Grundrente? Willkommen in der sozialpolitischen Traumfabrik

Rudi Wais
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    Die Einführung einer Grundrente für Geringverdiener wird von vielen Deutschen befürwortet.
    Die Einführung einer Grundrente für Geringverdiener wird von vielen Deutschen befürwortet. Foto: Stephanie Pilick (dpa)

    Maria M. führt ein privilegiertes Leben. Ihr Mann verdient als Zahnarzt glänzend, das Haus ist abbezahlt – der Ruhestand kann also kommen. Maria M., die 35 Jahre lang ein paar Stunden pro Woche in der Praxis ihres Mannes gearbeitet hat, erhält selbst zwar nur 450 Euro Rente im Monat. Ein Fall für die Fürsorge aber ist sie damit weiß Gott nicht.

    Hubertus Heil würde unserer fiktiven Maria M. trotzdem jeden Monat noch ein paar hundert Euro zusätzlich aus der Rentenkasse überweisen. Wer 35 Jahre lang eingezahlt hat, soll nach den Plänen des Sozialministers mindestens 900 Euro Rente bekommen – ein wohlklingendes, aber sozialpolitisch fragwürdiges Vorhaben. Weil Heil bei seiner Grundrente nicht zwischen den Versicherten trennt, die im Alter tatsächlich am Rande der Armut leben, und denen, die wie Maria M. zwar nur eine kleine Rente haben, aber über eine Erbschaft, Immobilienbesitz oder ihren Ehepartner bestens abgesichert sind, würde diese Reform mit jährlichen Kosten von fünf Milliarden Euro nicht nur exorbitant teuer. Sie verkehrt auch das sozialdemokratische Gerechtigkeitsversprechen ins Absurde. In dem Moment, in dem der Staat nicht einmal mehr prüft, wer bedürftig ist und wer nicht, kann es nicht mehr gerecht zugehen.

    SPD-Pläne sind ein gigantisches Umverteilungsprogramm

    Natürlich soll jemand, der ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen, Angehörige gepflegt und Rentenbeiträge gezahlt hat, im Alter besser dastehen als jemand, der ein Leben lang von Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Hartz IV gelebt hat. Dieses Problem aber muss die Politik innerhalb des Hartz-Systems lösen, zum Beispiel durch höhere Freibeträge, ein höheres Schonvermögen oder durch eine großzügigere Verrechnung von Renten mit der staatlichen Grundsicherung. Milliarden von Euro mit der Gießkanne auf vier Millionen Rentner zu verteilen, wie es dem Sozialminister vorschwebt, bringt der SPD vielleicht zusätzliche Umfragepunkte ein – für unser Rentensystem aber ist diese

    Wo die Höhe einer Rente sich nicht mehr nach den gezahlten Beiträgen richtet, sondern nach politischer Willkür, ist der Weg zur staatlichen Einheitsrente nicht mehr weit. Heils „Respekt-Rente“ soll den Respekt vor einer beruflichen Lebensleistung ausdrücken – letztlich aber ist sie nichts anderes als ein gigantisches Umverteilungsprogramm, das der Steuerzahler finanzieren soll. Schon jetzt halten einige Sozialverbände eine Versicherungszeit von 35 Jahren für zu lange. Sie fordern, die Grundrente bereits nach 30 Jahren zu zahlen. Das hieße: Es würde noch teurer.

    Manche Rente würde sich mit der Grundrente verdoppeln

    Wie widersinnig und wie wenig durchdacht die geplante Grundrente ist, zeigt auch ein anderes Beispiel: Einer Friseurin, die 35 Jahre gearbeitet hat und heute eine Rente von etwas mehr als 500 Euro im Monat bekäme, würde Heil das Altersgeld auf rund 900 Euro aufstocken. Eine Kassiererin im Supermarkt, die für einen vergleichbaren Lohn nur 34 Jahre gearbeitet hat, ginge dagegen leer aus – und mit knapp 500 Euro Rente nach Hause. Was daran gerecht sein soll, kann Heil auch gestandenen Sozialdemokraten nicht erklären.

    Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vor einem Jahr vereinbart, dass die Grundrente für Geringverdiener um zehn Prozent über den Sätzen der staatlichen Grundsicherung liegen soll. In Hubertus Heils sozialpolitischer Traumfabrik dagegen würde sich ein Teil der Altersgelder annähernd verdoppeln. Für die vielen Begünstigten mag das ein Grund sein, in Zukunft die SPD zu wählen. Die Gemeinschaft der Steuer- und Beitragszahler dagegen käme die „Respekt-Rente“ teuer zu stehen. Ohne Bedürftigkeitsprüfung wird sie ein Fass ohne Boden werden.

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