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Kommentar: Grüne Kompromisse? Kretschmann macht es vor

Kommentar

Grüne Kompromisse? Kretschmann macht es vor

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    «Jetzt kann man nur darauf hoffen, dass es eine Gruppe gibt, die eine Mehrheit hat für eine Impfpflicht»: Winfried Kretschmann.
    «Jetzt kann man nur darauf hoffen, dass es eine Gruppe gibt, die eine Mehrheit hat für eine Impfpflicht»: Winfried Kretschmann. Foto: Marijan Murat/dpa

    Der Alte gießt Wasser in den Wein. Winfried Kretschmann hat die grüne Selbstfeier des Parteitages mit seiner Videobotschaft ernüchtert, wie ein Regenguss die Sommerparty.

    „Im Wahlkampf haben wir uns kleingemacht“, analysiert der Ministerpräsident Baden-Württembergs in ruhigen Worten. Die Partei sei von einer Bündnispartei vieler gesellschaftlicher Gruppen zu einer Vertretung des eigenen Milieus zusammengeschrumpft. Kretschmann greift dabei niemanden persönlich an, aber natürlich zielt seine Kritik auf die Spitzen- und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Während Kretschmann stänkert, werden der 41-Jährigen von den anderen Großkopferten der Grünen blühende Kränze geknüpft (Kämpferin, Vorbild, Inspiration). Baerbock ist seit kurzem Außenministerin, doch sie wollte Kanzlerin werden.

    Ricarda Lang nimmt die Wahl als Grünen-Chefin an.
    Ricarda Lang nimmt die Wahl als Grünen-Chefin an. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Kretschmann bekommt Stimmen von Menschen, die die Grünen sonst nicht erreichen

    Kretschmann ist im Kleinen schon dort, wo Annalena Baerbock hinwollte. Er ist Landesvater. Er bekommt auch von Wählerinnen und Wählern Stimmen, die die Grünen sonst nicht erreichen. Ein Beispiel: Der schillernde Textilfabrikant Wolfgang Grupp hat sich für Kretschmann ausgesprochen, obwohl er von Weltbild (Firmenpatriarch) und Erscheinung (immer mit Einstecktuch) nicht weiter von der Partei entfernt sein könnte. Kretschmann zieht Typen wie den Trigema-Chef auf seine Seite. Und deshalb rät er seiner Partei statt eines Milliardenprogramms für Lastenräder zu einem Bündnis mit der Wirtschaft, also mit dem Kapital.

    Dahinter steckt die Überzeugung, dass die Grünen nur für breitere Wählerschichten attraktiv werden, wenn sie nicht befürchten, dass die Wirtschaftspolitik der Öko-Partei ihre Arbeitsplätze gefährdet. Die Chancen dieses Bündnisses, das für Ur-Grüne ein Pakt mit dem Teufel gewesen wäre, stehen besser als nie. Seit einiger Zeit wollen Industrie, Handel und sogar Kohle-Konzerne nichts so sehr wie klimafreundlich und ökologisch sein. Bei der grünen Welle, die die Wirtschaft erfasst hat, ist noch viel Schaufensterpolitik dabei, aber hinter das Bekenntnis können die Unternehmen nicht zurück.

    Grüner Kanzler nur, wenn ihre Politik keinen Wohlstand kostet?

    Für die Grünen ist es vielleicht nicht das Problem, die Chefs von sich zu überzeugen, sondern die Beschäftigten. Und natürlich werden bei der Umstellung der Produktion auf Elektro-Autos in der Autobranche auch Arbeitsplätze verloren gehen. Und es ist keinesfalls sicher, dass die deutschen Stahlhütten den Abschied vom Koks überleben oder die Chemiefabriken wegen der enormen Energiepreise wettbewerbsfähig bleiben.

    Winfried Kretschmann hat deshalb den Schluss gezogen, dass die Grünen nur eine Chance haben, den Kanzler zu stellen, wenn die Leute ihnen glauben, dass ihre Politik keinen Wohlstand kostet.

    Es hängt an Habeck

    Robert Habeck teilt diese Analyse. Er hat sich um neue Bündnisse bemüht, sich geöffnet und wollte den Grünen die Überheblichkeit austreiben, für andere zu wissen, wie das gute Leben aussehen soll. Im Prinzip gilt das auch für Baerbock, doch sie konnte diesen Anspruch nicht glaubhaft nach außen tragen, weil die schweren Wahlkampfpannen, wie der aufgebauschte Lebenslauf und das eilig zusammenkopierte Buch, viel Glaubwürdigkeit zerstört haben.

    Die Analyse der eigenen Fehler haben sich die Grünen bislang nicht getraut. Das wird jetzt die Aufgabe der neuen Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour. Für sie ist das delikat, denn sie dürfen Baerbock und ihren Wahlkampfmanager Michael Kellner dabei nicht beschädigen. Ein breites Bündnis mit der Wirtschaft ist von Lang vom linken Flügel nicht zu erwarten. Nouripour ist, was das angeht, ein unbeschriebenes Blatt. Es hängt an Habeck.

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