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Kommentar: Großbritannien und die EU: Ohne Boris Johnson wird es nicht einfacher

Kommentar

Großbritannien und die EU: Ohne Boris Johnson wird es nicht einfacher

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    Boris Johnson hat seinen Rücktritt als Premierminister von Großbritannien angekündigt.
    Boris Johnson hat seinen Rücktritt als Premierminister von Großbritannien angekündigt. Foto: Frank Augstein, PA Wire

    Boris Johnson ist weg. Herrscht in der EU jetzt Feierstimmung? Vermissen wird den schillernden Politiker in der dass auch ein neuer Vorsitzender der Tories keineswegs einen Kuschelkurs mit der EU anstreben wird. Die Atmosphäre in Westminster ist längst „brexitisiert“, selbst die Opposition zog unlängst einen Schlussstrich. Eine Wiederannäherung des Königreichs an die Gemeinschaft der 27 scheint in naher Zukunft ausgeschlossen.

    Zwar war in einigen europäischen Hauptstädten ein Seufzer der Erleichterung zu vernehmen angesichts des baldigen Auszugs Johnsons aus der Downing Street. Immerhin, er war als Brexit-Chef-Cheerleader der Unruhestifter der ersten Stunde, sein Aufstieg an die Macht untrennbar mit dem Abschied Großbritanniens aus der EU und dem folgenden Chaos verbunden. Doch Aussagen wie jene des ehemaligen EU-Chefunterhändlers Michel Barnier, nach denen Johnsons Karriereende eine neue Beziehung zwischen den beiden Streithähnen ermögliche, offenbaren, dass selbst sechs Jahre nach dem Referendum noch immer zu viele Missverständnisse vorherrschen – und das auf beiden Seiten.

    Boris Johnsons Vermächtnis in Sachen Brexit wird bleiben

    Optimismus ist jedenfalls fehl am Platz. Das Verhältnis könnte sich vielmehr weiter verschlechtern. Auch wenn Johnson eines fernen Tages das Haus mit der Nummer zehn geräumt haben mag, sein Vermächtnis in Sachen Brexit wird bleiben. Ein Kommentator nannte das Phänomen „Long Johnson“ in Anlehnung an „Long Covid“.

    Im Mittelpunkt des Streits steht weiterhin die ehemalige Bürgerkriegsregion, die seit Jahren als Zankapfel herhalten muss. Mit dem im Brexit-Abkommen vereinbarten Nordirland-Protokoll hatten die beiden Partner eigentlich eine Lösung gefunden, um sichtbare Kontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und der zum Königreich gehörenden Provinz Nordirland zu verhindern. Die notwendige Zollgrenze wurde in die Irische See verlegt. Damit gehört der nördliche Landesteil de facto weiterhin zum EU-Binnenmarkt, sodass Warentransporte aus Großbritannien in die Provinz zum Teil kontrolliert werden müssen. Doch die jetzige konservative Regierung will das

    Die EU kann den britischen Erpressungsversuchen nicht nachgeben

    In EU-Kreisen stößt das auf Widerstand. Die EU hat rechtliche Schritte gegen Großbritannien eingeleitet. Damit verscharren sich London und Brüssel wieder im tiefen Graben. Doch die EU hat recht. Wie sollen ernsthafte politische Gespräche möglich sein, wenn auf dem Verhandlungstisch im übertragenen Sinne eine geladene Waffe liegt? Die EU fürchtet zu Recht, sie würde bei anderen internationalen Verhandlungen geschwächt, wenn sie einseitigen Erpressungsversuchen nachgeben würde.

    Die Aussagen der bisherigen Kandidaten für Johnsons Nachfolge geben wenig Grund zur Hoffnung, dass sich die Lage entspannt. Das Problem: Die Anwärter müssen nicht die britische Bevölkerung überzeugen, sondern die europaskeptischen Hinterbänkler sowie die Hardliner in der konservativen Partei, die weiterhin lautstark die Eskalation mit Brüssel fordern. Dementsprechend steht der nächste Regierungschef unter Druck, dem Vorbild Johnsons nachzueifern und in die Brexit-Märchenstunde einzustimmen. Doch sollte das Gesetz in Kraft treten, würde Brüssel mit aller Härte reagieren. Im schlimmsten Falle liegt das gesamte Handelsabkommen zwischen den beiden Partnern in Trümmern. Es wäre wie so oft in dieser Saga: Zurück auf Anfang.

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