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Kommentar: Gentechnik zum Wohle der Bauern? Dieser Kulturkampf hilft niemandem

Kommentar

Gentechnik zum Wohle der Bauern? Dieser Kulturkampf hilft niemandem

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    Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten resistenter gegen Trockenheit sein.
    Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten resistenter gegen Trockenheit sein. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Mais, dem Hitze und Trockenheit kaum schadet; Tomaten, die mehr Provitamin D3 enthalten; Sojabohnen, die widerstandsfähiger sind gegen Unkrautvernichtungsmittel – Befürworter von grüner Gentechnik betonen unaufhörlich deren potenzielle Vorteile. Dagegen warnen vorneweg Ökobauern und Grünen-Politiker vor möglichen Risiken für Mensch und Natur, würden sogenannte Genom-editierte Pflanzen regelmäßig auf den Tellern der Europäer landen.

    Wie viel Gentechnik darf in unsere Lebensmittel?

    Der Streit zwischen den beiden Seiten dürfte bald wieder lauter werden. Denn die EU-Kommission plant, die derzeit strengen Gentechnik-Regeln zu lockern. Sollte der durchgesickerte Entwurf ohne Änderungen von der Behörde so vorgestellt werden, könnte das eine alte Debatte neu entfachen. Werden Europas Bürger künftig im Supermarktregal gentechnisch veränderte Lebensmittel finden, ohne dass diese als solche gekennzeichnet sind? 

    Konkret ist geplant, dass bestimmte neue gentechnische Methoden (NGT) nicht den strikten EU-Vorschriften unterliegen sollen, wenn die dadurch entwickelten Sorten auch durch Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können. Dazu soll etwa die Crispr/Cas-Genschere gehören, eine Methode, bei der DNA gezielt zerschnitten oder verändert wird und einzelne Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Skeptiker aber monieren, dass sich Manipulationen nicht immer mit den bekannten Analyseverfahren identifizieren ließen.

    Europäische Volkspartei sieht sich als Retter der Bauern

    Noch ist es ein weiter Weg bis zu einer endgültigen Entscheidung. Sollte die Kommission ihren Vorschlag unterbreiten, muss das Gesetz im Anschluss vom Rat, also dem Gremium der 27 Mitgliedstaaten, sowie vom EU-Parlament verhandelt und beschlossen werden. Und im Abgeordnetenhaus sorgt der Entwurf jetzt schon für Aufruhr bei den Grünen. Er platzt in eine ohnehin aufgeladene Zeit, in der die Landwirtschaft einmal wieder ins Zentrum der Debatten gerückt ist. Die Europäische Volkspartei (EVP), zu der die CDU und CSU zählen, schwingt sich dieser Tage – aufgeschreckt durch den Erfolg der rechtspopulistischen Bauer-Bürger-Bewegung BBB in den Niederlanden – zur Schutzmacht aller Landwirte auf. Dafür zettelten die Konservativen einen Kulturkampf an, der in Wahrheit niemandem hilft, am wenigsten den Bauern vor Ort. 

    Ob es um das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur geht oder die geplante Pestizid-Verordnung, laut der der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent gesenkt werden soll: Der Aufstand der Union trifft zentrale Vorhaben des Grünen Deals, durch den die Gemeinschaft bis 2050 Klimaneutralität anstrebt. Ein Jahr vor den Europawahlen scheint die EVP aber keine Lust mehr am Mitgestalten zu haben, sondern schielt lieber auf verunsicherte Wähler, die sie mit Halbwahrheiten und Mythen füttert. Die Ernährungssicherheit zum Beispiel ist keineswegs bedroht, dafür trifft der Klimawandel die Landwirte in Europa schon heute schwer. 

    Gentechnik darf kein Tauschgeschäft werden

    Die Blockadehaltung der EVP ist so peinlich wie destruktiv. Und sollte nicht noch zu Zugeständnissen führen. Denn die Sache mit der Gentechniköffnung darf als Kompromissangebot verstanden werden, ganz nach dem Geben-und-Nehmen-Prinzip. Der für Klimafragen zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans, Sozialdemokrat und Hauptgegner der EVP, scheint auf einen Erfolg bei der Pestizidreduktion zu hoffen, sollte die Behörde bei der von den Konservativen geforderten Lockerung der Gentechnikregeln guten Willen zeigen.

    Über die Zulassung neuer Züchtungsmethoden kann und sollte man streiten. Sie aber zum Zweck eines Tauschgeschäfts zu empfehlen, wäre ein Fehler vonseiten der Kommission. Es würde die Glaubwürdigkeit der gesamten EU-Klimapolitik infrage stellen.

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