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Kommentar: Gegen Hass im Netz muss entschiedener vorgegangen werden

Kommentar

Gegen Hass im Netz muss entschiedener vorgegangen werden

Daniel Wirsching
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    Gegen Hass im Netz muss entschiedener vorgegangen werden
    Gegen Hass im Netz muss entschiedener vorgegangen werden Foto: Fabian Sommer, dpa

    Von einer „Debattenkultur“ im Digitalen zu sprechen, fällt schwer. Ob Twitter, Facebook oder Telegram – kultiviert debattiert wird dort eher selten. Was mit dem Austausch kurzweiliger Kurzbotschaften oder lustiger Fotos begann, ist zu einer echten Gefahr für die Demokratie geworden, stellte kürzlich Bayerns Justizminister Georg Eisenreich fest.

    Und die ehrliche Antwort auf die Frage, wie es so weit kommen konnte, lautet: weil wir es zugelassen haben.

    Was hilft: Medienkompetenz, Versachlichung, Strafverfolgung

    Es ist ja so einfach, seinen Ärger heraus zu posten. Dafür muss keiner mehr am Stammtisch hocken. „100 Zeilen Hass“ hieß einmal eine Zeitschriften-Kolumne, heute genügen 140 Zeichen. Zugelassen wurde, dass Beleidigendes im Digitalen zu lange andere Folgen hatte als im Analogen – oft keine. Das hat mit der (Markt-)Macht der Internetgiganten zu tun, mit einer gewissen Trägheit von Gesetzgeber und Justiz. Im Ergebnis ist eine Verrohung des öffentlichen digitalen Diskurses zu beobachten, die zunehmend in körperliche Gewalt umschlägt. Hassrede ist zum täglichen Begleiter geworden und kann jede und jeden treffen. Was dagegen hilft? Medienkompetenz, Versachlichung, Strafverfolgung.

    Eine höhere Medienkompetenz: Welcher Kanal ist seriös? Wie erkennt man Fake News? Welche Informationsquellen sind glaubwürdig? Diese Fragen können offenkundig zu wenige beantworten.

    Das beständige Werben um eine Versachlichung: Es sollte häufiger gesagt werden „Ich teile diese Meinung nicht, weil ...“ oder „An diesem Punkt stimmen wir nicht überein ...“ Sowie: „Hier ist eine Grenze überschritten!“ Zu einer Versachlichung zählt auch der überlegtere Umgang mit Wörtern. Muss denn von einem „Freedom Day“ die Rede sein, wenn damit lediglich die Beendigung von Anti-Corona-Maßnahmen gemeint ist? Der ohnehin überzogene Begriff ist mit dem Krieg in der Ukraine nochmals absurder geworden.

    In den vergangen Jahren hat sich einiges gebessert – aber nicht genug

    Eine konsequente Strafverfolgung: In den vergangenen drei Jahren hat sich einiges verbessert, das Strafrecht wurde verschärft, in Bayern ein Schutzkonzept für Kommunalpolitiker und Abgeordnete entwickelt. Der Umgang der Plattformbetreiber mit Hasspostings allerdings lässt nach wie vor stark zu wünschen übrig. Vor allem muss das noch ankommen in den Köpfen: Die mit Hass und Hetze im Internet verbundenen Straftatbestände sind keine „Kavaliersdelikte“ und – eine vermeintliche – Anonymität kein Grund zur Enthemmung.

    Online-Streifen – wie Polizeistreifen in der analogen Welt – könnten abschreckende Wirkung entfalten. Wie örtliche oder bundesweite Razzien. Für beides braucht es mehr Personal. Doch schon weit unter der Schwelle der Strafbarkeit sickert Gift in den öffentlichen Diskurs, hineingeträufelt von vielen. Der geschasste Bild-Chef Julian Reichelt zum Beispiel twitterte, die „Massen-Razzien des Staates gegen Äußerungen sind ein gefährlicher Weg, besonders in einer Zeit, in der unsere Regierung Falschinformationen verbreitet“ – „Aktionstage gegen Hass“ könnten „sehr schnell zu Aktionstagen gegen Meinungsfreiheit werden“.

    Die Tonlage der Debatten hat sich erschreckend verschärft

    Niemand hindert ihn, so etwas zu behaupten – in Sätzen wie diesen zeigt sich aber ein fatales Verständnis vom hohen Gut der Meinungsfreiheit, das nur die eigene Meinung gelten lässt. Welche Folgen das haben kann, war in den vergangenen Jahren vielfach anhand von Debatten zu besichtigen, die völlig eskalierten – wie die über ein satirisch gemeintes Kinderlied, in dem eine Oma zur „Umweltsau“ wurde.

    Das war 2019. Seitdem hat sich die Tonlage erschreckend verschärft. Und es wäre naiv und gefährlich, dieser Entwicklung nicht entschiedener entgegenzuwirken.

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