Wer war nicht alles schon als Täter enttarnt: Ganz klar, eine russische Kommandoaktion, um den Westen zu destabilisieren, sagten die einen. Unsinn, nur die USA profitieren davon, Löcher in die Nord-Stream-Röhren zu sprengen – Uncle Sam ist schuld, sagten die anderen. Jetzt deutet eine – nach allem was man weiß – seriöse Medienrecherche darauf hin, dass der beispiellose Anschlag auf submarine Gaspipelines vom Rostocker Hafen aus seinen Ausgang nahm.
Waren es pro-ukrainische Aktivisten, die auf eigene Faust Sprengladungen an die Röhren geheftet haben? Steckt gar die Regierung der Ukraine dahinter? Fest steht bisher nur, dass die Aktionen unverantwortlich, ja sinnlos waren. Schließlich war das ohnehin energiepolitisch und geostrategisch grundfalsche Projekt Nord Stream 2 bereits mausetot, als im September die Bilder von den gewaltigen Strudeln an der Wasseroberfläche der Ostsee um die Welt gingen.
Kiew muss klar sein, dass die Allianz gegen den Angriffskrieg verletzlich ist
Auch wenn unklar ist, ob Kiew den Befehl zu dem aberwitzigen Terrorakt gab, muss die Nato dem ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unmissverständlich klarmachen, dass sowohl Forderungen nach völkerrechtlich geächteten Streubomben als auch Sabotageaktionen außerhalb des Konfliktfeldes am Ende nur dem Aggressor Russland in die Hände spielen. Moskau sähe gerne zu, wie die richtige und wichtige Allianz gegen den Angriffskrieg bröckelt.
Politiker, Fachleute und die Medien hierzulande sollten sich trotz des immer hektischer rotierenden Nachrichtenmarktes daran erinnern, dass es sich lohnt, Urteile erst dann zu fällen, wenn es die Faktenlage zulässt.