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Kommentar: G20-Treffen: Der Kanzler hätte diesen Zirkus nicht mitmachen sollen

Kommentar

G20-Treffen: Der Kanzler hätte diesen Zirkus nicht mitmachen sollen

Stefan Lange
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    Indiens Premierminister Narendra Modi empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu Delhi.
    Indiens Premierminister Narendra Modi empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Neu Delhi. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Die „Gruppe der 20“ hat ihr jährliches Gipfeltreffen beendet, die Regierungsmaschinen sind vom Indira-Gandhi-Flughafen in Neu-Delhi abgehoben und haben die G20-Teilnehmer zu neuen Zielen gebracht. Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Die Abschlusserklärung der 20 politisch und wirtschaftlich mächtigsten Industrieländer wagt keine Verurteilung des Einmarsches der Russen in die Ukraine, das Papier wurde gar von einem Kriegsverbrecher gelobt: Russlands Präsident Wladimir Putin ließ ausrichten, er halte die Gipfel-Erklärung für „auswogen“. 

    Für das Verhalten der deutschen Regierung trifft in diesem Zusammenhang das Wort „Fremdschämen“ zu. Kanzler Olaf Scholz gab dem für Putin angereisten russischen Außenminister Sergej Lawrow zwar nicht die Hand. Der SPD-Politiker setzte gleichwohl seine Unterschrift unter die gut 40 Seiten lange blamable Erklärung. 

    Scholz und die Zeitenwende: Bei den G20 trägt er ein unwürdiges Papier mit

    In seiner zu Recht vielfach gewürdigten „Zeitenwende“-Rede hatte der Kanzler die Frage gestellt, „ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“. Putin habe „kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen“, er handele menschenverachtend und völkerrechtswidrig. Vor diesem Hintergrund wird er erklären müssen, warum er ein Papier mitträgt, das den russischen

    Scholz wertete das Treffen im Gegenteil öffentlich als „sehr erfolgreich“. Für die Menschen in der Ukraine muss sich das wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Die Regierung zückt das Scheckbuch und liefert für Milliarden Euro Waffen und Gerät ins Kriegsgebiet. Neben der materiellen ist die ideelle Unterstützung aber wohl mindestens ebenso wichtig, und die fehlte in Neu-Delhi völlig. Die Ukraine war nicht eingeladen worden. Selbst eine Zuschaltung von Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video kam nicht zustande. Die Ukraine reagierte zu Recht empört und wütend. 

    Scholz sagte in Neu-Delhi, der Erfolg der Abschlusserklärung zeige sich „an der Art und Weise, wie das zustande gekommen ist“. Gemeint sind die schwierigen Verhandlungen, bei denen die Interessen von 20 Ländern koordiniert werden müssen. Die Gipfelerklärungen sind das Ergebnis monatelanger Auseinandersetzungen, bei denen um Punkt und Komma gerungen wird. Doch was sind sie wert, wenn sie hinter UN-Resolutionen zurückfallen und sich westliche Werte den Interessen Chinas und Russlands unterordnen?

    Trump hat es vorgemacht: Scholz sollte diplomatische Mittel nutzen

    Scholz hätte andere Möglichkeiten gehabt, als diesen Zirkus mitzumachen. Lawrow beispielsweise reiste beim G20-Treffen in Bali vorzeitig ab und machte so seinen Unmut deutlich. Der damalige US-Präsident Donald Trump verließ den virtuellen G20-Gipfel in Riad vor drei Jahren, um Golf zu spielen. Zuvor hatte er bereits zum Treffen in Hamburg mit einem Boykott des Abschlusskommuniqués gedroht. Diplomatische Mittel sind das, die auch Scholz nutzen könnte, wenn er eine Gipfelerklärung an sich nicht torpedieren will. 

    Bevor seine Regierungsmaschine vom Indira-Gandhi-Flughafen abhob, hätte der deutsche Regierungschef eine weitere Chance gehabt, sich zu positionieren. Der nächste G20-Gipfel findet in Brasilien statt und dessen Präsident Lula hat bereits erklärt, dass Putin trotz des internationalen Haftbefehls nicht mit einer Verhaftung rechnen müsse, wenn er anreise. Das kam quasi einer Einladung gleich und Scholz wurde gefragt, ob er sich mit Putin an einen Tisch setzen würde. Der Kanzler wich erneut aus. Damit, erklärte er, wolle er sich „nicht befassen“.

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