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Kommentar: Für Scholz und die Ampel steht mehr auf dem Spiel als die Heizungsfrage

Kommentar

Für Scholz und die Ampel steht mehr auf dem Spiel als die Heizungsfrage

Margit Hufnagel
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    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss es schaffen, dass die Menschen in seine Führungsfähigkeiten vertrauen.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss es schaffen, dass die Menschen in seine Führungsfähigkeiten vertrauen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es gab Zeiten in diesem Land, als all die Krisen in der Welt an den meisten Menschen im Land irgendwie abgeperlt sind. Schlimm das alles, mit Krieg, Hunger, Klimawandel. Doch Deutschland lebte stets in der Gewissheit, dass sein Status unantastbar ist. Die Menschen hatten sich einen Wohlstand erarbeitet, der weltweit seinesgleichen suchte. Es mag anderswo mehr Superreiche gegeben haben, mehr Innovationen, mehr unternehmerischen Wagemut.

    Olaf Scholz: Ausgerechnet als Sozialdemokrat verspielt er Vertrauen

    Doch es war die deutsche Mittelschicht, die wie ein steinerner Pfeiler die wirtschaftliche wie politische Stabilität garantierte, die in vielen Ländern längst erodiert war. Dass ausgerechnet die inzwischen von einer kalten Angst erfasst wurde, dass die AfD zu immer neuen Höhenflügen ansetzt, dass die Menschen mit großen Fragezeichen in den Augen in die Zukunft blicken, ist auch dem Kanzler zuzuschreiben. Ausgerechnet ein Sozialdemokrat schafft es nicht, den Bürgerinnen und Bürgern das glaubhafte Versprechen, ja, den Schwur zu geben: So schwer die Zeiten sein mögen, wir lassen niemanden zurück.

    Stattdessen lässt der Kanzler zu, dass ausgerechnet eines der Gesetzesvorhaben, das ganz ohne Übertreibung als Revolution bezeichnet werden kann, als parteipolitischer Spielball missbraucht wird. Die FDP versucht bewusst, das Vorhaben vor der Sommerpause zu verschleppen, im Wissen, dass dann Landtagswahlkämpfe einsetzen, die für zusätzliche Unruhe sorgen werden. Die Grünen haben eine Gesetzesvorlage präsentiert, die mit der Realität nur schwer in Einklang zu bringen ist. Die SPD kann der Versuchung nicht widerstehen, dem Zweikampf von der Seitenlinie aus zuzuschauen. Dass sie damit zulässt, dass der Pfeiler, der auch sie stützt, massiv beschädigt wird, scheint nur langsam zu dämmern.

    Bundeskanzler Olaf Scholz wirkt bisweilen arrogant – die AfD gewinnt

    Inzwischen sind laut einer Forsa-Umfrage sage und schreibe 81 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass Scholz mehr führen müsste als bisher – selbst bei den SPD-Anhängern sind es noch 75 Prozent. Allerdings trauen ohnehin nur 23 Prozent der Befragten ihm überhaupt Führungsstärke zu – im Mai 2022 lag der Wert bei 32 Prozent. In der kommenden Woche hat er die Gelegenheit, diesen Eindruck zu zerstreuen: Am Dienstag ist er spätabends zu Gast im Privatfernsehen, ob es ihm gelingt, daran darf man zumindest Zweifel haben. Seit seiner Zeitenwende-Rede ist ihm kein Auftritt mit Durchschlagskraft mehr gelungen.

    Scholz erweckt bisweilen den Eindruck, es sei unter seiner Würde, sich mit den banalen Fragen, die die Gesellschaft an ihn hat, zu beschäftigen. Mit süffisantem Zug um den Mund lässt er sein Gegenüber gern spüren, dass er als Kanzler über den Dingen zu schweben gedenkt. Er gefällt sich in dieser Rolle stets etwas zu gut. Hanseatisch nennen es die einen, arrogant die anderen. Vor allem aber ist seine minimalistische Kommunikation ein Problem: Selbst bei sehr konkreten Vorhaben, wie eben dem Heizungsgesetz, ist es nur schwer zu beurteilen, wofür er selbst eigentlich steht.

    Es liegt am Kanzler, die Ampel-Koalition handlungsfähig zu machen

    Es liegt am Kanzler, aus dieser Koalition, die angetreten war, das beste aus drei Welten (sozialdemokratisch, liberal, grün) zu vereinen, eine handlungsfähige Regierung zu formen. Sich bis zur nächsten Wahl durchzuhangeln, weil jede der Parteien letztlich auf die andere angewiesen ist, um an der Macht zu bleiben, reicht als Erzählung nicht aus. Und auch Scholz selbst sollte für seine eigene Zukunftsplanung bewusst sein, dass die SPD ihm, mit dem sie so oft gefremdelt hat, zwar verbunden für seinen Wahlsieg – doch ewiger Dank ist die Sache der Genossen auch nicht.

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