Miteinander reden ist besser als aufeinander schießen – wer wollte das bestreiten. Mitten in die meist eher ruhige Zeit zwischen den Jahren platzt die Meldung, dass der Westen und Russland darüber sprechen wollen, wie die bedrohliche Krise um den russischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine entschärft werden kann.
Zunächst treffen sich Vertreter der USA und Russlands am 10. Januar in Genf, um den strategischen Sicherheitsdialog wieder in Gang zu setzen. Zwei Tage später sind Gespräche zwischen der Nato und Russland geplant – das wäre eine Wiederbelebung des Nato-Russland-Rats, der seit zweieinhalb Jahren nicht mehr zusammengetreten ist. Die Unterredungen sind – wie auch die Bemerkungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, auf eine diplomatische Lösung setzen zu wollen – eine gute Nachricht.
Doch sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Moskau mit seinen militärischen Drohgebärden und einer maßlos aggressiven Rhetorik für die Krise verantwortlich ist. Umso wichtiger ist, dass die USA und die Nato die Gelegenheit nutzen, dem Kremlchef in ruhigen Worten unmissverständlich klar zu machen, dass der Westen auf einen Angriff russischer Truppen auf die Ukraine mit Sanktionen reagieren würde, die das Land mit großer Wucht treffen dürften mit großer Wucht treffen dürften.
Ziel muss sein, Russland stärker in Gesprächsformate einzubinden
Wie aber kann die Nato ihrerseits dazu beitragen, die Situation zu deeskalieren? Das Bündnis sollte beharrlich versuchen, Russland wieder stärker in internationale Gesprächsformate einzubinden. Zumal eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine auf absehbare Zeit gar nicht zur Debatte steht. Auf eine förmliche Garantie jedoch, dass dies für alle Zeiten so bleiben wird, sollte Putin nicht hoffen. Eine solche Festlegung würde der Natur der Allianz zuwiderlaufen. Zudem ist und bleibt die Behauptung Moskaus eine Mär, dass die Nato beim Zerfall des Warschauer Pakts versprochen habe, sich nicht in Richtung Osten zu erweitern.
Die Position des Westens ist hingegen geschwächt durch die tiefe gesellschaftliche Spaltung in den USA. Die Frage, was passiert, wenn nach dem Demokraten Joe Biden wieder Donald Trump oder einer seiner radikalen Mitstreiter ins Weiße Haus einzieht, kann keiner beantworten.
So wäre es schon ein Erfolg, wenn es gelänge, Moskau von seiner Eskalationspolitik abzubringen. Ermutigend ist, dass der Kreml jetzt einen Teilabzug an der Grenze zur Ukraine angekündigt hat. Eine nachhaltige Verständigung, also echte Entspannung, wäre aber letztlich erst dann in Sicht, wenn Putin seine Pläne aufgibt, in Europa Positionen der alten Sowjetunion zurückzugewinnen, die im Zuge des Zusammenbruches des Riesenreiches vor 30 Jahren verloren gegangen sind. Der Präsident räumt offen ein, dass dieser Machtverlust eine Katastrophe gewesen sei.
Innenpolitisch befindet sich Putin auf dem Weg in die Vergangenheit. Dies zeigte sich am Dienstag auf bestürzende Weise: Das oberste Gericht verfügte die Auflösung der renommierten Menschenrechtsorganisation Memorial, die die Verbrechen des Sowjetkommunismus zu Stalins Zeiten und danach dokumentiert hat. Ein weiterer Schlag für die Meinungsfreiheit. Gerade fernab der Metropolen sind staatliche Sender für viele Menschen die einzige Nachrichtenquelle. So fällt die Propaganda, dass der aggressive Westen Russland militärisch systematisch einkreist, um die Lebensgrundlage des Landes zu zerstören, auf fruchtbaren Boden. Die Gleichschaltung von Justiz und Medien sowie der unablässige Druck auf die Reste der Opposition haben tiefe Spuren in der vor einigen Jahren noch recht offenen Gesellschaft hinterlassen.