Es wirkt wie die Rache der französischen Bürger an einem Präsidenten, der fünf Jahre lang ihr Parlament missachtet hat. Mit ihrem Votum bei den Parlamentswahlen zwingen sie ihn, die Volksvertreter mit zu berücksichtigen. Denn Emmanuel Macron verfügt nicht mehr über die notwendige absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, um seine Projekte leicht umzusetzen.
Nur zwei Monate nach seiner Wiederwahl ist das ein brutaler Schlag – und eine Warnung: Die Menschen wollen nicht, dass er weitere fünf Jahre in monarchischer Manier regiert, so als sei die Nationalversammlung nur eine freundliche Organisation, um seine Vorhaben durchzuwinken. Sie fordern politische Debatten – und die wird es künftig geben. Das ist die positive Seite, die dieses Ergebnis für Frankreichs Demokratie hat: Das Parlament wird gestärkt.
Viele Menschen in Frankreich fühlen sich nicht mehr betroffen von der Politik
Erschreckend ist hingegen die geringe Wahlbeteiligung, die einmal mehr zeigt, dass sich viele Menschen in Frankreich gar nicht mehr betroffen fühlen von der Politik. Das ist auch die Schuld von Macron, der die Wahl zum Präsidenten als Blankoscheck für seine Politik sah, die im kleinen Kreis von Technokraten und, abgesehen von ihm selbst, nicht durch gewählte Volksvertreter entschieden wurde.
Neben der Linken, die als gemeinsamer Block einen Erfolg verzeichnet, stiegen vor allem die Rechtsextremen auf. Diese stellen künftig eine mächtige Fraktion in der Nationalversammlung. Schon die Präsidentschaftswahl mit einem historisch hohen Ergebnis für Marine Le Pen spiegelte wider, wie alltäglich Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Frankreichs Politik verankert sind. Denn darauf baut sich das Programm von Le Pens Rassemblement National auf, auch wenn sie lieber und lauter über die Kaufkraft und die Rechte des „kleinen Mannes“ redet. Ihre Strategie hat sich ausgezahlt – das ist die erschütternde Erkenntnis eines folgenreichen Wahlabends.