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Kommentar: Finger weg vom Ehegattensplitting!

Kommentar

Finger weg vom Ehegattensplitting!

Rudi Wais
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    Steuervorteil für Verheiratete: Das Ehegattensplitting
    Steuervorteil für Verheiratete: Das Ehegattensplitting Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    In der Welt von Lisa Paus ist alles etwas einfacher als draußen, im richtigen Leben. Frauen arbeiten bei ihr tunlichst nicht in Teilzeit, weil das nur zu niedrigeren Renten und zu Armut im Alter führt. Familien, in denen ein Elternteil beruflich etwas kürzer tritt, um sich um die Kinder zu kümmern, haben für die grüne Familienministerin etwas seltsam Gestriges - und die Steuervorteile aus dem Ehegattensplitting etwas geradezu Reaktionäres, weil es nur für die klassische Ehe gilt und nicht auch andere, buntere Lebensmodelle.

    Dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen, wischt die Ministerin in ihrem dogmatischen Kampf gegen das Splitting lässig beiseite. Dass dessen Abschaffung die Familien zehn Milliarden Euro im Jahr kosten würde, ignoriert sie ebenso wie die Tatsache, dass die FDP eine solche Entscheidung nie und nimmer mittragen würde. Hinter der Paus‘schen These, mit der geplanten Änderung der Steuerklassen, sei das Ende des Ehegattensplittings vorgezeichnet, verbirgt sich daher entweder fehlender Realitätssinn – oder ein Ablenkungsmanöver, mit dem die Ministerin Fehler und Fehleinschätzungen bei der Einführung der Kindergrundsicherung kaschieren will.

    Wie ein Ehepaar die Aufgaben in der Familie verteilt, wer voll arbeitet, wer in Teilzeit oder wer vielleicht für eine gewisse Zeit ganz zu Hause bleibt, geht den Staat nichts an. Mit dem Ehegattensplitting kompensiert die Politik zumindest einige der finanziellen Nachteile, die Familien haben, über das Steuerrecht: Das gesamte Einkommen der Ehepartner wird halbiert und dann besteuert. Ein Modell, das vor allem Spitzenverdienern nutzt, ist es gleichwohl nicht. Das klassische Beispiel, in dem der Mann eine gut gehende Zahnarztpraxis betreibt, die Frau ein paar Stunden pro Woche mitarbeitet und das Ehegattensplitting die Steuerlast des Paares um einige Tausend Euro im Jahr senkt, ist die Ausnahme und nicht die Regel.

    Warum kein Familiensplitting wie in Frankreich?

    Ein Ende des Splittings würde vor allem die Mittelschicht treffen: Familien, die oft mit spitzem Stift rechnen müssen - und mindestens eine Generation älterer Ehepaare, in der die Mütter oft notgedrungen zu Hause geblieben sind, weil es kaum Kindergärten und erst recht keine Krippen für die ganz Kleinen gab. Viele dieser Frauen hatten gar keine Chance, in Vollzeit zu arbeiten, größere Rentenansprüche zu erwerben oder Karriere zu machen. Ihnen den Splittingvorteil zu nehmen, hieße letztlich, ihre Lebensleistung zu missachten. Ja, mehr noch: Sie dafür zu bestrafen.

    Eine Familienministerin, die ihren Auftrag ernst nimmt, führt deshalb keinen ideologischen Feldzug gegen das klassische Rollenbild, sondern sucht mit dem Finanzminister nach neuen, besseren Lösungen. In Frankreich, zum Beispiel, ist der Splittingvorteil eines Paares umso größer, je mehr Kinder es hat. In Deutschland dagegen ist bisher noch jede Diskussion über die Einführung eines Familiensplittings im Sande verlaufen. Mal endete sie mit einer Erhöhung des Kinderfreibetrages, mal schaffte sie es nicht einmal in die Wahlprogramme der Parteien.

    Für Lisa Paus sitzen Frauen, die ihren Kindern zuliebe beruflich zurückstecken, in der Teilzeitfalle. Für viele Frauen (und immer mehr Männer) aber ist das Leben, das die grüne Ministerin für sie vorgesehen hat, alles andere als erstrebenswert: Zwei Vollverdiener und die Kinder ganztags fremdbetreut wie einst in der DDR. Viele Arbeitgeber haben darauf längst reagiert und bieten immer flexiblere Arbeitszeitmodelle an. Das aber ist nicht die Welt von Lisa Paus.

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