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Kommentar: EU-Libanon-Deal: schmutzig und doch ohne Alternative

Kommentar

EU-Libanon-Deal: schmutzig und doch ohne Alternative

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    In das Gebiet von Wadi Khaled an der libanesisch-syrischen Grenze im Nordlibanon flüchten täglich Hunderte Menschen (Archivbild).
    In das Gebiet von Wadi Khaled an der libanesisch-syrischen Grenze im Nordlibanon flüchten täglich Hunderte Menschen (Archivbild). Foto: Marwan Naamani, dpa

    In der Asylpolitik gibt es für die EU und ihre Kommissionschefin Ursula von der Leyen zur Zusammenarbeit auch mit – gelinde gesagt – schwierigen Partnern wie dem Libanon keine Alternative. Denn der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen entwickelt in vielen europäischen Ländern gewaltige politische Sprengkraft, begünstigt den Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen und dividiert die Länder der EU auseinander. Staaten, die weiter bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen, und solche, die das teils kategorisch verweigern, stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber.

    Schon der Brexit hatte – nicht nur, aber auch – mit der EU-Zuwanderungspolitik zu tun. Der Migrationspakt, auf den sich die EU kürzlich nach langem Ringen geeinigt hat, bietet zumindest eine echte Chance, die Spannungen zu entschärfen. Er hält Europa für Menschen mit echtem Schutzanspruch offen, setzt aber unter anderem auf die konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Genau dazu bedarf es der Kooperation der Herkunfts- und Transitländer – zu denen der Libanon zählt. Abkommen dieser Art, das zeigt jenes mit der Türkei, bieten zwar keinerlei dauerhafte Erfolgsgarantie. Doch besser als gänzlich ungeregelte Verhältnisse sind sie in jedem Fall.

    Briten-Premier Rishi Sunak legt mit knallharter Asylpolitik vor

    Will von der Leyen bei der Europawahl Anfang Juni ihre Chance auf eine zweite Amtszeit wahren, muss sie zählbare Erfolge bei der Begrenzung der irregulären Migration vorweisen. Zumal der ebenfalls ums politische Überleben kämpfende Briten-Premier Rishi Sunak jetzt mit seiner brachialen Knallhart-Politik Ernst macht. Wer ohne Erlaubnis nach Großbritannien einreist, um dort Asyl zu beantragen, läuft künftig Gefahr, ins ostafrikanische Ruanda gebracht zu werden. Das wird dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge in die Länder der EU drängen.

    Von der Leyen muss jetzt also ganz konkret dafür sorgen, dass nicht länger Schlepper entscheiden, wer in die EU kommt und wer sich dort dauerhaft aufhalten darf. Weil Abschiebungen in der Praxis oft scheitern, ist eine geglückte Schleusung auch für Migranten ohne jeden Schutzanspruch oft die Garantie, faktisch bleiben zu können. So mag ein Deal mit dem Libanon, einem korrupten, scheiternden Staat, in vielerlei Hinsicht fragwürdig sein. Doch die EU hat im Augenblick kaum eine Wahl. Gelingt keine bessere Steuerung der irregulären Migration, drohen die rechtspopulistischen Kräfte auf EU- und Landesebene immer noch stärker zu werden. Was dann am Ende bedeuten könnte, dass Europa auch für echte Schutzbedürftige kein sicherer Hafen mehr ist. 

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