Nimmt man die Frequenz der wütenden Online-Posts als Gradmesser für sein Befinden, dann muss Donald Trump ein furchtbares Weihnachtsfest durchlebt haben. Während anderswo der Festtagsbraten auf den Tisch kam, stieß der 76-Jährige über seine Propaganda-Plattform Truth Social im atemlosen Stakkato wildeste Verwünschungen aus.
Mal nahm er die „Verbrecher des Untersuchungsausschusses“, mal die „korrupten Medien“, die „alte Krähe Mitch McConnell“ oder die „marxistischen Demokraten“ ins Visier, die sich angeblich alle gegen ihn verschworen haben. Nur ein einziges Mal wünschte er seinen Followern frohe Feiertage, um anschließend in Großbuchstaben einen düsteren Abgesang auf die „gefallene Nation“ anzustimmen.
Für Ex-Präsident Donald Trump kommt es knüppeldick
Maßlos, polemisch und ich-fixiert war Trump schon immer. Aber selten hat sein obsessives Selbstmitleid so bitter geklungen. Dazu passt das aktuelle Titelblatt der Zeitschrift New York Magazine: Ein ikonografisches Foto zeigt da Trump vor einer protzigen Wandtapete in seinem Anwesen Mar-a-Lago alleine an einem großen Tisch mit sehr kleinem Blumengesteck. Die Schultern hängen, seine Mundwinkel weisen nach unten, sein Blick geht ins Leere. „Party of One“ steht daneben.
Tatsächlich kommt es für den Ex-Präsidenten knüppeldick. Erst haben die Niederlagen seiner Zöglinge bei den Zwischenwahlen den Nimbus des Königsmachers zerstört. Dann identifizierte ihn der Kongress-Untersuchungsausschuss als Hauptverantwortlichen des Putschversuchs vom 6. Januar 2021 und forderte seine Anklage. In Georgia bereitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen seiner Einschüchterung der Wahlaufseher vor. Ein Sonderermittler sammelt derweil fleißig Belege zu den aus dem Weißen Haus entwendeten Geheimunterlagen.
Am Freitag nun steht Trump mit der Veröffentlichung seiner Steuerunterlagen, die er jahrelang zu verhindern versuchte, eine weitere Niederlage bevor. Neben fragwürdigen Methoden der Abgabenvermeidung dürften diese Dokumente nämlich belegen, dass der Geschäftsmann keineswegs so erfolgreich war, wie er behauptet. Natürlich ist es bis zu einer strafrechtlichen Verurteilung noch ein sehr weiter Weg. Aber die Häufung schlechter Nachrichten hat Trumps Kalkül durchkreuzt, mit der frühen Ankündigung seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur einen Hype auszulösen, andere Bewerber in Schach zu halten und die um ihre politische Neutralität besorgte Justiz einzuschüchtern.
Donald Trump könnte sich trotzdem als Bewerber durchsetzen
Dem von Verschwörungslügen über die verlorene Wahl 2020 und der eigenen narzisstischen Kränkung besessenen Kandidaten fehlt jede positive Erzählung, von einem Programm ganz zu schweigen. Und bei einer Umfrage des Wall Street Journal zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur lag erstmals der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, vorn.
Das heißt keineswegs, dass sich Trump nicht doch als Bewerber seiner Partei durchsetzen könnte. Der Mann hat unzählige Skandale und zwei Amtsenthebungsverfahren überlebt. Seine Anhänger sind ihm hörig, sein Machtwille ist grenzenlos, das Feld seiner möglichen internen Konkurrenten diffus. Doch bei der eigentlichen Wahl entscheiden nicht die fanatischen Rechtsgläubigen, sondern unabhängige Wechselwähler. Dass der verbitterte Wüterich diese Menschen überzeugen und 2024 noch einmal ins Weiße Haus einziehen kann, erscheint am Ende dieses Jahres deutlich unwahrscheinlicher als zu dessen Beginn.