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Kommentar: Es schmerzt, der Ampelkoalition beim Regieren zuzusehen

Kommentar

Es schmerzt, der Ampelkoalition beim Regieren zuzusehen

Richard Mayr
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    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht mit seiner Ampel-Koalition in der Kritik.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht mit seiner Ampel-Koalition in der Kritik. Foto: John Macdougall, AFP/POOL/dpa

    Auf die Regierung mit Worten einzuschlagen, gehört zu den einfachen Dingen. Falsch machen "die da oben" immer etwas. Davon lebt der Stammtisch schon, seit es Stammtische gibt. Diese Bundesregierung macht es dem außenstehenden Beobachter allerdings nahezu unmöglich, Nachsicht walten zu lassen. Sie können es einfach nicht, denkt man sich, während die Ampelkoalition die drängenden Aufgaben dieser Tage aus dem Blick verloren hat und sich gleichzeitig durch eigene Entscheidungen zusätzliche Probleme schafft. Siehe Bundeshaushalt.

    Fast ein Jahr 2023 lang spricht Finanzminister Christian Lindner von einem Haushalt, der wieder die Schuldengrenze einhält. Dann urteilt das Verfassungsgericht über die Schattenhaushalte und schon muss derselbe Finanzminister für denselben Bundeshaushalt eine Notlage feststellen lassen, um mit Krediten neue Haushaltslöcher zu stopfen, Kredite, die zuvor als Sondervermögen herausgerechnet worden sind. Das Einhalten der Schuldenbremse, auf das Lindner so stolz war, hat sich als Buchungstrick, als einfacher Etikettenschwindel entpuppt. Wie soll man eine solche Regierung fortan ernst nehmen?

    Gemeinsame Ziele der Ampelkoalition sind nicht mehr auszumachen

    Deutschland gehört zu den Ländern weltweit, in denen sehr viel Geld in den Staatshaushalt wandert. Die Staatsquote des Bruttoinlandsprodukts liegt bei fast 50 Prozent. Was soll man von Parteien und Politikerinnen und Politikern halten, die jetzt ein Aufweichen der Schuldenregeln fordern, weil das Geld angeblich nicht reicht? Es gibt die Regel, weil im Zweifelsfall nicht einfach noch mehr Geld staatlich verteilt werden soll, sondern entschieden werden muss, wofür es ausgegeben wird: für noch mehr Sozialstaat oder wieder für etwas mehr Sicherheit und eine bessere Infrastruktur. Das wäre regieren und führen.

    Bei dem Schauspiel, das die Bundesregierung mittlerweile aufführt, kann man nicht mehr hinsehen. Es schmerzt. Gemeinsame Ziele sind nicht mehr auszumachen. Mühsam wird ein Spar-Kompromiss für den Haushalt 2024 erzielt. Dass bei dem Kuhhandel am Ende die Bauernschaft über Gebühr bluten soll, zeigt, wie wenig Gespür für die Landwirte in Berlin versammelt ist. Sich im Dezember mit Landwirten anzulegen, wenn auf den Feldern kaum etwas zu tun ist, ist der schlechteste Zeitpunkt im Jahr. Hinzu kommt, dass anscheinend niemand gewusst hat, dass es nur noch einen Anlass gebraucht hat, um bei der Bauernschaft jede Menge angestauten Verdruss in Streikenergie zu verwandeln. Der Blick dieser Regierung für die Nöte derer, die nicht zur eigenen Kernwählerschaft gehören, scheint stark eingetrübt zu sein.

    Kleinmut ist nach der Zeitenwende-Rede wieder eingekehrt

    Schwerer wiegt, dass die mutigen und beherzten Entscheidungen für die großen Probleme nicht getroffen werden. Nach der Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz kehrte der Kleinmut ein. Knapp zwei Jahre später wirken die Worte größer als das Tun. Die Aufrüstung der Bundeswehr verläuft im alten Deutschlandtempo von Behördistan. Die Ukraine bekommt nur so viel Unterstützung, dass sie den Krieg nicht verliert, aber auch nicht gewinnt. Das Gesetz der Grünen, im Gebäudesektor etwas gegen den Klimawandel zu tun, entpuppte sich als Rohrkrepierer, der nicht nur große Teile der Bevölkerung, sondern auch der Grünen-Wählerschaft vergrätzte. Warum war dieses Gesetz ein Desaster? Weil es zu kompliziert und detailverliebt war - und damit nicht zu vermitteln. Wenn die Bevölkerung dazu gebracht werden soll, Einschnitte zu akzeptieren oder zusätzliche Kosten, muss sie überzeugt werden. Kein Wunder, dass die Bauern gerade auf die Barrikaden gehen.

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