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Kommentar zur Sicherheitskonferenz: Wie im Kalten Krieg, nur komplizierter

Kommentar

Es ist wie im Kalten Krieg, nur viel komplizierter

Simon Kaminski
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    Ein Demonstrant mit Totenkopf-Maske protestiert am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 symbolisch gegen die Kriege auf dieser Welt.
    Ein Demonstrant mit Totenkopf-Maske protestiert am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 symbolisch gegen die Kriege auf dieser Welt. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Es gehört Mut dazu, sich den Nachrichten auszusetzen: Krieg, Konflikte, Klimakrise – Bilder von der Trümmerwüste Gaza, von Tod und Leid in der Ukraine. Schwer zu ertragen. Die Verunsicherung ist so allgegenwärtig wie die Angst vor der Zukunft. Ratgeber von Psychologen, die Tipps geben, wie man in diesen Zeiten die Seele in der Balance halten kann, stapeln sich in den Buchhandlungen. An wohlfeilen Ratschlägen herrscht kein Mangel. Doch das Gefühl der Ohnmacht bleibt.

    Jetzt treffen sich in der bayerischen Landeshauptstadt Frauen und Männer aus aller Welt, die Positionen einnehmen, die es eigentlich erlauben sollten, den Lauf der Dinge zu beeinflussen: Staatenlenker, Diplomaten, Militärs, Wissenschaftler. Eigentlich, denn auch viele Politikerinnen und Politiker wirken ratlos. Wenn sich nun bereits zum 60. Mal die Entscheider auf der Münchner Sicherheitskonferenz treffen, dem wichtigsten Forum seiner Art, dann ist das auf den ersten Block ein Symbol für den Willen, zu kooperieren. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass Vertreter Russlands, das mit seinem verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Europa und die Welt in eine kaum für möglich gehaltene Krise gestürzt hat, in München gar nicht vertreten ist. Warum auch, an Kooperation hat Moskau derzeit gar kein Interesse. Das erinnert an den Kalten Krieg, doch es ist viel komplizierter. 

    Putin hielt 2007 in München seine berüchtigte Wutrede gegen den Westen

    Der russische Präsident Wladimir Putin hat 2007 auf der Sicherheitskonferenz vor einem zunächst überraschten, dann versteinerten Auditorium in seiner Wutrede gegen den Westen angekündigt, dass Russland auch ganz anders kann. Wie genau, das weiß man jetzt. 

    Schon wünschen sich viele verunsicherte Zeitgenossen die Zeiten der atomwaffenstarrenden Bipolarität zurück, als sich die US-geführte Nato und der durch die Sowjetunion kontrollierte Warschauer Pakt gegenüberstanden. Das war beunruhigend, aber gleichzeitig auch übersichtlich. 

    Die Zersplitterung internationaler Strukturen beschleunigt sich

    Als sich diese Strukturen Anfang der 90er-Jahre auflösten, galt der Westen als großer Sieger, die USA als ungefährdeter Hegemon. Doch schleichend, dann sich beschleunigend, setzte eine Zersplitterung internationaler Strukturen ein. Zwischenstaatliche Übereinkünfte und völkerrechtliche Grundsätze erodieren. Die USA sind immer weniger in der Lage oder willens, die Rolle als Supermacht Nummer eins auszufüllen, China würde gerne einspringen und der Welt seine Regeln aufzwingen, ist dafür aber noch längst nicht stark genug. Die Frage ist also, ob sich die Welt in einer unübersichtlichen Phase des Übergangs befindet oder ob daraus ein Dauerzustand wird. Wiederholt der Antidemokrat Donald Trump seinen Wahlsieg von 2016, wird Letzteres noch wahrscheinlicher. 

    Auch wenn Trump die Wahl im November noch nicht gewonnen hat, haben seine Worte schon jetzt enormes Gewicht – dies zeigt die Reaktion auf seine Ankündigung, den atomaren Schutz der Nato für Mitglieder, die angegriffen werden, auszuhebeln. Dabei geht es ihm nur vordergründig darum, Nato-Partner zu maßregeln, die nicht genug für ihre Verteidigung ausgeben. Trump sind vielmehr Bündnisse aller Art ein Gräuel, da sie seinen Handlungsspielraum einengen. Gerade auch aus diesem Grund sollten die Europäer endlich entschlossener damit beginnen, deutlich mehr für ihre Verteidigungsfähigkeit tun.

    Zurück zur Psychologie. Was ist zu tun? Wir müssen unsere Abwehrkräfte stärken, uns darauf einstellen, dass multiple Krisen kein vorübergehendes Phänomen sind – wir, das sind nicht nur Politiker, das ist jeder von uns. 

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