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Kommentar: Es ist falsch, Merkel die Schuld für unsere Abhängigkeit von Putins Gas zu geben

Kommentar

Es ist falsch, Merkel die Schuld für unsere Abhängigkeit von Putins Gas zu geben

Stefan Lange
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    Angela Merkel 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin.
    Angela Merkel 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin. Foto: Steffen Kugler, dpa (Archivbild)

    Der Ukraine-Krieg hat nicht nur die die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert. In Deutschland sind darüber hinaus große Zweifel laut geworden, ob es richtig war, sich so sehr von russischer Energie abhängig zu machen. Erpressbar seien in diesem Zusammenhang gerade reumütig Fehler ein. Anschließend richteten sich die Augen auf Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Würde auch sie Fehler eingestehen? Die CDU-Politikerin tat es nicht, und sie tat recht daran.

    Als Bundeskanzlerin habe sie nötige Distanz zum Kreml vermissen lassen und sei gerade in Energiefragen zu unkritisch gewesen, lautet einer der Hauptvorwürfe gegen Merkel. Ihr langjähriger Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller verteidigte die Russland-Politik der früheren Bundesregierungen daraufhin mit dem Hinweis, es habe „einen innenpolitischen Konsens“ gegeben, an dem „alle beteiligt waren“. Röller hat es damit treffend zusammengefasst.

    Merkels Russland-Politik war nie wirklich umstritten

    In der Tat war Merkels Russland-Politik in den jeweiligen Koalitionen ihrer Amtszeit nie wirklich umstritten. Im Gegenteil: Die Strategie der CDU-Politikerin stieß in Gesellschaft, Politik und in der Wirtschaft grundsätzlich auf Wohlwollen. Deutschland wurde zu einem der besten Kunden russischer Unternehmen, galt als zuverlässiger Zahler. Das garantierte in der Folge gute Preise und eine prompte Belieferung. Im Energiebereich ging es dabei nicht nur um Gas oder Öl. Die Wasserstoff-Strategie des Kremls etwa, Russland will hier Marktführer werden, könne eine neue Brücke von Russland nach Deutschland schlagen, urteilten Experten hierzulande überschwänglich.

    Angela Merkel 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin.
    Angela Merkel 2018 im Gespräch mit Wladimir Putin. Foto: Steffen Kugler, dpa (Archivbild)

    Nicht nur Deutschland, die gesamte EU hatte über Jahre ein elementares Interesse an einem guten Verhältnis zu Russland. Gas, Kohle, Öl – das Land gehört zu den größten Förderern. Hinzu kam ein Ungleichgewicht der Energiepreise zwischen Deutschland und den USA. In den Vereinigten Staaten war Energie um gut die Hälfte billiger, Europa musste sich im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit Energiequellen in der Nachbarschaft sichern und neue erschließen.

    Dieser Preiskampf wurde durch den aggressiv agierenden ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump noch befeuert. Er zwang Europa zum Kauf schmutzigen Fracking-Gases, und sehr viele Menschen waren damals sehr froh, dass in Russland eine relativ saubere Energiequelle zur Verfügung stand. So weit ging die Zuneigung zu Moskau, dass in der Wirtschaft Forderungen nach einer vertieften Partnerschaft und Zusammenarbeit im Rohstoffsektor mit dem Kreml laut wurden. „Enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland sind der Schlüssel zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Europa", erklärte etwa der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft.

    Hinterher ist man immer schlauer - das heißt aber nicht, dass vorher alles falsch war

    Merkel richtete den Fokus beim Thema Energieversorgung zudem nicht nur auf Russland. Die Physikerin interessierte sich ihre gesamte Amtszeit über für alternative Quellen, dies galt ganz besonders nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011. Auf Merkels zahlreichen Auslandsreisen standen Energiepartnerschaften immer im Mittelpunkt. Entsprechende Vereinbarungen gab es mit fast allen afrikanischen Staaten, die sie besuchte. Mit den großen Industrienationen sowieso, aber auch mit eher exotisch anmutenden Rohstoff-Ländern wie der Mongolei oder Sri Lanka.

    Hinterher ist man immer schlauer. Das heißt aber nicht, dass vorher alles falsch war. Das sollten auch jene zur Kenntnis nehmen, die sich in den letzten Jahren über eine warme Wohnung zu vergleichsweise niedrigen Energiepreisen freuten, jetzt aber lautstark tönen, dass sie das mit dem bösen Putin doch schon immer gewusst hätten.

    Währenddessen erhält Steinmeier eine Abfuhr aus der Ukraine - das vom Bundespräsidenten anvisierte Treffen wird abgelehnt.

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