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Kommentar: Einigung im Haushaltsstreit: Die Ampel blinkt noch

Kommentar

Einigung im Haushaltsstreit: Die Ampel blinkt noch

Rudi Wais
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    Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampelkoalition eine Einigung über den Bundeshaushalt 2024 erzielt.
    Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampelkoalition eine Einigung über den Bundeshaushalt 2024 erzielt. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Halb zog man sie, halb sanken sie hin. Mit der Einigung auf einen Etat für das kommende Jahr haben SPD, Grüne und FDP gerade noch rechtzeitig eine politische Blamage verhindert. Besonders stolz sollten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner darauf allerdings nicht sein. Im Gegenteil: Für die vergleichsweise überschaubare Summe von 17 Milliarden Euro, die ihnen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes fehlte, haben sie die Koalition an den Rand des Abgrundes geführt. Ob der vorweihnachtliche Betriebsfrieden, den die drei in einer letzten langen Nachtsitzung erzwungen haben, bis weit ins nächste Jahr hinein anhält? Fraglich. Zu groß sind die Fliehkräfte in der Koalition bereits, zu klein die Schnittmengen. 

    Höhere Steuern sind die Schulden von morgen

    Flüchtig betrachtet, wahren alle drei Koalitionäre ihr Gesicht. Die FDP hat die Hand weiter an der Schuldenbremse, die SPD hat ihr Bürgergeld verteidigt – und die von den tiefen Einschnitten in „ihrem“ Klimafonds besonders getroffenen Grünen dürfen für sich zumindest in Anspruch nehmen, ein paar umweltschädliche Subventionen geschrumpft, eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge erzwungen und einen höheren CO2-Preis durchgesetzt zu haben, der das Tanken und Heizen mit Öl oder Gas verteuert. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit wäre eine solche Einigung schnell als einer der typischen Formelkompromisse abgehakt, ohne die Politik nicht funktioniert. Hauptsache, das Thema ist vom Tisch. Unter dem Eindruck des Karlsruher Urteils allerdings hätte die Koalition eigentlich mehr bieten müssen – mehr Mut zur Sparsamkeit und damit auch mehr Generationengerechtigkeit. Höhere Steuern und Schulden, wie SPD und Grüne sie noch immer fordern, sind genau das Gegenteil davon.

    So gesehen ist das Festhalten an der Schuldenbremse die zweifelsohne größte Leistung des Ampel-Triumvirats. Hier hat die FDP sich durchgesetzt, wenn auch nur vorübergehend. Sollten der Krieg in der Ukraine und die schwindende Unterstützung in anderen Ländern Hilfen über das bisher versprochene Maß hinaus verlangen, wird die Koalition nicht an anderer Stelle sparen, sondern schnell die Karte mit der Notlage ziehen, die ihr die Aufnahme weiterer Kredite erlaubt. Der Rest ist viel politisches Kleinklein mit vielen einzelnen Sparmaßnahmen – und zu einem guten Stück auch Politik nach dem Prinzip Hoffnung. Einen Teil der Milliardenlücke versuchen SPD, Grüne und FDP ja mit höheren Erlösen aus der Privatisierung von Bundesbeteiligungen und der schnelleren Vermittlung ukrainischer Flüchtlinge in Arbeit zu schließen. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. 

    Die Ampel verstößt gegen ihre eigenen Ansprüche

    Abgerechnet wird ohnehin erst am Schluss – nämlich bei der nächsten Bundestagswahl. Angetreten sind die Ampelparteien einst mit dem Anspruch, sich nicht im üblichen Parteien-Kleinklein zu verlieren und dem Land neue Orientierung zu geben. „Es geht darum, das Leben der Bürger leichter zu machen“, heißt es in ihrem Koalitionsvertrag. Nach zwei Jahren allerdings ist aus der ambitionierten Ampel eine Koalition wie jede andere geworden, in der wieder genau das parteipolitische Denken dominiert, dessen höchste Kunstform ein Formelkompromiss wie der aus der Nacht zum Mittwoch ist: Das Scheitern verhindert und Zeit gewonnen. So kann man sich durch den Rest einer Wahlperiode hangeln. Mehr aber auch nicht.

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