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Kommentar: Eine Minderheit nötigt die Mehrheit

Kommentar

Starke Verhandlungsposition: Eine Minderheit nötigt die Mehrheit

Rudi Wais
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    Nach der erfolgreichen Sondierung haben Union und SPD mit ihren Koalitionsverhandlungen begonnen.
    Nach der erfolgreichen Sondierung haben Union und SPD mit ihren Koalitionsverhandlungen begonnen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist in der Mitte oder ein Stück rechts von ihr zuhause. Zählt man die Wahlergebnisse von Union, AfD, FDP und Freien Wählern zusammen, so repräsentieren sie etwas mehr als 55 Prozent der Deutschen. Sozialdemokraten, Grüne und Linke kommen nur auf gut 36 Prozent – der Einfluss der Parteien links von der Mitte auf die Politik allerdings ist um einiges größer als ihr Stimmenanteil, nachdem die Grünen im Schuldenstreit so etwas wie das Zünglein an der Waage geworden sind und im ungünstigsten Fall auch noch die Linken für eine Grundgesetzänderung gebraucht werden.  

    Demokratie ist die Kunst des Kompromisses, ja – aber weil die AfD heute doppelt so stark ist wie vor vier Jahren und die Union aus naheliegenden Gründen nicht mit ihr koalieren kann, haben Genossen und Grüne in der Bundespolitik eine wenig kompromissfördernde Sperrminorität. Ohne sie geht gerade nichts mehr – im Bundestag so wenig wie im Bundesrat. Deshalb, vor allem, hat die SPD in das Sondierungspapier mit der Union deutlich mehr hineinverhandelt, als es ihrem Wahlergebnis von nicht einmal 17 Prozent entspricht.  

    Auch bei den Vorsitzenden der Arbeitsgruppen für die Koalitionsverhandlungen, die durchaus schon ein Ansatzpunkt für die spätere Vergabe der Ministerien sind, schneiden die Sozialdemokraten überproportional gut ab: Sechs Vorsitzende stellt die CDU, drei die CSU, sieben die SPD.

    Friedrich Merz braucht Stehvermögen und Verhandlungsgeschick

    Eine noch stärkere Verhandlungsposition, die bereits ans Erpresserische grenzt, hat das Wahlergebnis den Grünen verschafft. Eigentlich schon in die Opposition verdammt, brauchen Friedrich Merz und die SPD sie, um ihre Milliardenprogramme für die Bundeswehr und die Infrastruktur rasch noch mit Hilfe des alten Bundestages im Grundgesetz abzusichern – im neuen Bundestag haben AfD und Linke dann eine Sperrminorität. Das heißt: Politik paradox. Deutschland hat zwar mehrheitlich bürgerlich-liberal, in Teilen sogar stramm rechts gewählt, bekommt aber eine rot-grün eingefärbte Politik. Für Friedrich Merz, der im Wahlkampf eine konservative Wende versprochen hat, ist das eine schwere strategische Hypothek. Und wer weiß, vielleicht spekulieren SPD und Grüne schon klammheimlich auf ein vorzeitiges Ende seiner Regierung, eine erneute Neuwahl und eine andere, linke Mehrheit.   

    Im Streit um die Migrationspolitik und das Bürgergeld hat die Union sich zwar weitgehend durchgesetzt – das ist in der gegenwärtigen Situation keine Kleinigkeit. Politische Kuhhändel wie jetzt mit den Grünen drohen in der neuen Legislaturperiode aber nicht die Ausnahme zu bleiben, sondern zur Regel zu werden. Im Bundesrat, den die neue Bundesregierung nicht nur für die geplanten Steuerreformen braucht, haben Union und SPD mit ihren Zweierkoalitionen in Hessen, Sachsen und Berlin nur 13 sichere Stimmen, mit Bayern, der CSU und den Freien Wählern kämen günstigstenfalls zwar noch sechs dazu – zur Mehrheit von 35 Stimmen aber fehlt trotzdem ein gutes Stück. Umgekehrt regieren die Grünen in sieben Bundesländern mit, entsprechend groß ist ihr Verhinderungspotenzial, da auch die Stimmen der Länder, die sich im Zweifel enthalten, in der Länderkammer als Neinstimmen gewertet werden.

    Merz, der sich bisher nicht gerade als Diplomat hervorgetan hat, wird also einiges an Stehvermögen und Verhandlungsgeschick benötigen, um den versprochenen Richtungswechsel in dieser Konstellation zu organisieren. Fürs Erste allerdings wäre ihm schon geholfen, wenn die Grünen die Realitäten endlich anerkennen und etwas mehr Demut vor dem Wahlergebnis zeigen würden. Das nämlich steht in krassem Gegensatz zu ihrem fordernden Auftreten.

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    11 Kommentare
    Wolfgang Schwank

    Ach Herr Wais, was soll den Ihr Jammern darüber, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt. Sie kennen das doch seit Jahr und Tag, das macht doch die liebe CSU ständig mit ihrer grossen Schwester - und das schon seit Strauß' Zeiten. Wesentlicher ist jedoch, dass es einer 44,9%-Regierung ggfs. in der Grundsätzlichgkeit an Legitimation fehlt. Um beispielsweise eine halbe Billion auf Pump in eine gigantische Aufrüstung und Kriegsertüchtigung zu stecken. Politik ist halt doch mehr als reine Zahlenarithmetik.

    Wolfgang Leonhard

    Tja, lieber Rudi Wais, wer die Wähler so schamlos anlügt, der muss dann eben an anderer Stelle die Zeche bezahlen. Die Union hatte während der letzten Legislatur ausreichend Gelegenheit, die absehbar notwendigen Änderungen des Grundgesetzes zusammen mit den Ampelparteien vorzunehmen. Aber Merz und Söder haben es stattdessen vorgezogen, die Bundesregierung zum Schaden des Landes auszubremsen, weil sie sich davon persönliche Vorteile versprachen. Man könnte nun schadenfroh sein, aber leider nutzt das Dilettieren der Union am Ende nur wieder den Rechtsextremen.

    Maria Reichenauer

    "wenn die Grünen die Realitäten endlich anerkennen und etwas mehr Demut vor dem Wahlergebnis zeigen würden." Stimmt, Herr Wais, dann könnten sie einfach mit den Schultern zucken und zusehen, wie die die C-Parteien und die SPD ihre feuchten Finanzträume verwirklichen wollen. Hätte Friedrich Merz etwas mehr Diplomatie bewiesen, dann wäre er früher schon auf die Ampel-Regierung zugegangen wegen der Reformierung der Schuldenbremse. Selbst nach der Wahl hat er sich dagegen positioniert – und dann machte es Pling im Weißen Haus und Merz ist aufgewacht. Und nun muss etwas auf den letzten Drücker gemacht werden, was längst hätte passieren können und müssen – in aller Ruhe und Gelassenheit und sauber ausgearbeitet. Merz sagt an und alle anderen dürfen zustimmen – erst wenn er gelernt hat, dass es so nicht funktioniert, kann er Bundeskanzler.

    Richard Markl

    Puhh! Der Autor verdreht da einiges, zu anstrengend das zu sortieren. Nur soviel: Die Grünen machen jetzt gerade den Job, den eigentlich die Union hätte machen müssen. Beispiel: Für alles was über 1 % des BIP für Verteidigung ausgegeben wird, soll lt. Union/SPD künftig ohne Schuldenbremse Kredite aufgenommen werden dürfen. In 2024 waren das ca. 2 % des BIP, 84 Mrd. Euro +/-. Es sollen im Ergebnis ganz normale Verteidigungsausgaben, die ganz normal im Haushalt abgebildet werden müssten, nun über Kredite finanziert werden dürfen. Dadurch schafft sich schwarz-rot zusätzliche Mittel, die sie verpulvern können in Höhe von ca. +/- 42 Mrd. .Die Grünen wollen jetzt einen Riegel zumindest bei 1,5 % des BIP einziehen, damit der Irrsinn... Schon bei 1,5 % wohl weil wir die 2 % nur wg. Ausgaben aus dem Sondervermögen erreichten. Dann bleibt immer noch zuviel Spielgeld für Agrardieselsubventionen, Gastro-Steuerermäßigungen, Mütterrente etc., die sie sich sonst nie leisten könnten.

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    Richard Markl

    Nachtrag: Der Bundesrechnungshof hält die Schuldenmacherei auch für fatal https://www.n-tv.de/wirtschaft/Bundesrechnungshof-Schwarz-rote-Plaene-sind-soziales-Risiko-article25629223.html Sie schlagen die Grenze von 2 % vom BIP vor, ab der Schulden ausserhalb der Schuldenbremse zusätzlich kreditfinanziert werden dürfen. Union/SPD sehen das bereits ab 1 % vor, was eine erhebliche Aushebelung der Schuldenbremse zugunsten von Konsumausgaben, wie Agrardieselsubventionen, E-Autoförderung, Gastro-Subvention, Mütterrente, etc. führen würde. Die Grünen fordern zumindest die Grenze von 1,5 %. Sie sind, wie immer zu gutmütig! Schade!

    Raimund Kamm

    Herr Wais, hätten Merz & Söder im Wahlkampf ehrlich geredet, hätten sie heute nicht das Problem. Sollen die GRÜNEN den Betrug einfach abnicken? Wären Merz & Söder ehrlich gewesen, sähen heute eventuell sogar die Mehrheiten im Bundestag anders aus. Die Wählerinnen und Wähler haben CDU/CSU/SPD eben kein Mandat gegeben, die Verfassung zu ändern, um für klimaschädliche Maßnahmen (Agrardiesel steuerbefreien, mehr Subventionen fürs Pendeln, Industriestrompreise subventionieren ...) die Verschuldung hochzujagen. Deswegen brauchen die voraussichtlich neuen Regierungsparteien den alten Bundestag und die GRÜNEN. Leider versuchen Merz & Co auch dieses Problem mit Steuergeld aus der Welt zu schaffen. Anstatt anständige Klimaschutzpolitik zu machen, bieten sie den Grünen an, 50 Milliarden für Klimaschutzmaßnahmen einzuplanen. Raimund Kamm

    Klaus Axmacher

    Der Herr Merz wird den Grünen alles versprechen was sie hören wollen nur damit er Kanzler wird. Hat ja auch seinen Wähler alles mögliche versprochen und das am Tag nach der Wahl schon vergessen. Kann mir kaum vorstellen das die grüne Truppe so naiv ist und dem Herrn Merz auf den Leim kriecht.

    Franz Wildegger

    Dürfte ich den Grünen einen Rat geben, dann würde ich Ihnen raten, nur dem Sondervermögen für die Ertüchtigung der Bundeswehr zu zustimmen! Alles Andere sollten sich die Sprücheklopfer Merz und Söder, eben so wie Sie es zuvor gesagt haben, selber aus dem Haushalt erwirtschaften. Dann würden ihnen ihre Späßchen mit MWST-Senkung für Gastwirte, Agrardiesel, Förderung E-Auto usw. vergehen. Sollen Sie es sich ruhig aus den Rippen schneiden und später mit der AfD und den Linken versuchen die Schuldenbremse aufzuweichen, was Ihnen wohl "nicht" gelingen dürfte. Und die SPD mit Klingbeil dem es ganz genauso nur um Posten geht. Die haben sich der Union doch "total angeglichen" und den gleichen Fehler wie die Union zuvor gemacht, eben auf den "falschen Kanzlerkandidaten" gesetzt zu haben! So sieht es nämlich aus, Ja, obwohl Scholz und Söder beim gemeinen Wahl-Volk eben "nicht" angekommen sind und "nicht" die Nummer EINS bei ihren Wählern jeweils waren, Nein! NEUWAHLEN, wären eigentlich das Beste!

    Franz Wildegger

    Nachtrag, da habe ich mich leider verschrieben, ich meinte natürlich Friederich Merz und nicht Söder. Der ja als Kanzlerkandidat von der großen CDU abgelehnt worden ist. Er sich klein machen durfte und den Wadenbeißer gegen die Grünen geben musste, was jedoch auch total mißlungen ist. Und jetzt müssen Beide Buße tun, aber jetzt (wenn die Anderen nur standhaft, auch die freien Wähler) sind müssen sie ihre Sprüche machen büßen! Ja, das finde ich sogar gut wie verdattert da der Merz gestern (nach zuvor großer und guter Rede für Deutschland) da gesessen ist und sich "die Wahrheiten" von den Grünen, der FDP den Linken, der lieben Sahra und der AfD und manchen Parteilosen, anhören musste. Wie ein Häuflein Elend saß da der "Große Friedrich aus dem Sauerland" da und konnte es nicht fassen, was ihm da "voll berechtigt" um die Ohren gehauen wurde. Ja und dazu hätte sehr gut die "scharfe Fasten-Predikt" von Maxi Schaffroth gepaßt, da hat nur noch das "Dauer-Lachen" von seiner 1. Predikt gefehlt.

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    Helmut Eimiller

    "Union, SPD und Grüne einig über Finanzpaket", wird gerade gemeldet. Das Paket ist damit noch nicht durch, aber ich befürchte, auf unsere Leserkommentare nimmt keiner in der "großen Politik" Rücksicht. Und zuviel Kritik an den "Oberen" ist noch keinem gut bekommen, vielleicht kostet es sogar dem Fastenprediger seinen Job.

    Franz Wildegger

    Ob es dem Fastenprediger nun den Job kosten wird, ist doch in dem Moment völlig Zweitrangig, Ja! Er hätte halt seinen Beitrag etwas gründlicher und ausgewogener über all die "unfähigen Politiker" verteilen müssen, nicht nur über den Einen! Dass die Union mit ihren Beiden oder den gar mindestens 6 verantwortlichen Personen, nun in den sauren Apfel beißen müssen, geschieht Ihnen völlig recht. Denn wer vor der Wahl solche "Anfängerfehler" macht, die nur der AfD dienen konnten, gehört zurecht abgestraft. Und so hat der Wähler auch entschieden und der CDU und der CSU, einen "Denkzettel" mit dem "äußerst schlechtes Wahlergebnis" beschert. Somit mussten die "Schwarzen" jetzt vor den "Grünen" auf die Knie gehen und reuig und in Demut "Fasten-Buße" betreiben, eben weil man jetzt die Grünen brauchte, die man zuvor verspottet hat. Das wird jedoch den Steuerzahler noch sehr viel Geld kosten, weil Friedrich Merz ja "unbedingt Kanzler" werden will, obwohl es bessere Kandidaten auf beiden Seiten gab.

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