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Kommentar: Eine "Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" könnte eine Chance sein

Kommentar

Eine "Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" könnte eine Chance sein

Daniel Wirsching
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    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, spricht vor der Synodalversammlung in Frankfurt mit Menschen, die eine vielfältigere Kirche fordern.
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, spricht vor der Synodalversammlung in Frankfurt mit Menschen, die eine vielfältigere Kirche fordern. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Für diejenigen, die der katholischen Kirche noch nicht mit Gleichgültigkeit begegnen, war der Donnerstag ein bitterer Tag. Mit ihrer Sperrminorität brachten die Bischöfe – genauer: eine überschaubare Gruppe – einen der wichtigsten Texte des Reformprozesses Synodaler Weg zu Fall. Das verheerende Signal: Das Episkopat ist gespalten und zerstritten – und nimmt sich selbst aus dem gesellschaftlichen Dialog.

    Wer soll auch Antworten bei einer Kirche(nleitung) suchen und finden, deren strikte Sexualmoral und unbarmherzige Pastoral zu tiefen Verletzungen bei Homosexuellen, wiederverheirateten Geschiedenen oder Ehepaaren, die keine Kinder bekommen können, führte? Deren

    Die Bischöfe hätten signalisieren können: Wir haben verstanden. Sie taten das Gegenteil

    Wer soll Bischöfe als „moralische Autorität“ anerkennen, die ein Papier ablehnen, in dem „die Beseitigung von Diskriminierung, die auf sexueller Orientierung basiert“, gefordert wird. Das sich unmissverständlich gegen Konversionstherapien ausspricht. Das Sexualität von der Kirchenlehre her nicht länger als defizitär, sondern als „Teil von Gottes guter Schöpfung“ betrachtet wissen will und eine „Freude der Liebe“ bejaht. Und in dem – endlich einmal – versucht wird, der Lebensrealität gerecht zu werden, in dem es heißt, dass nicht alle Geschlechtsakte delegitimiert werden dürften, „die aus sich heraus keine Kinder zeugen können“.

    Sicher, im Kosmos der Kirche hat über vieles der Papst in Rom zu befinden – aber die deutschen Bischöfe in ihrer Gesamtheit hätten hier ein weithin wahrnehmbares Signal setzen können: Wir haben verstanden. 33 von 57 abstimmenden Bischöfen, die den Text mittrugen, haben das ja auch.

    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, spricht vor der Synodalversammlung in Frankfurt mit Menschen, die eine vielfältigere Kirche fordern.
    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, spricht vor der Synodalversammlung in Frankfurt mit Menschen, die eine vielfältigere Kirche fordern. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Auch sie werden mit den Folgen leben müssen. Mit der zum Beispiel, dass sich das Episkopat in der Außenwahrnehmung immer weiter von den Menschen entfernt. Dass Bischöfe zu Hirten ohne Herde werden – und sprachlos. „Wie soll ich als Bischof nun über Sexualität predigen?“, fragte ein erschütterter Aachener Bischof Helmut Dieser, der den durchgefallenen Text miterarbeitet hatte.

    Dass es zu all dem kommen konnte, war absehbar. Noch nicht ganz absehbar sind die mittelfristigen kirchenpolitischen Folgen. Eine liegt nahe: Es dürfte zu einer „Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ kommen, wie das der Jesuit Andreas R. Batlogg im Interview mit unserer Redaktion kurz vor Beginn der vierten Synodalversammlung sagte.

    Die römisch-katholische Kirche in Deutschland steht seit Donnerstag mehr denn je vor einer ungewissen Zukunft

    Wie recht er damit hatte, zeigte sich bereits. Der Limburger Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, kündigte an, den abgelehnten „Grundtext“ zu einer erneuerten Sexualethik seinen synodalen Gremien vorzulegen, „um ihn im Bistum Limburg Wirklichkeit werden zu lassen“. Mehrere Bischöfe werden das in ähnlicher Weise tun, wisse er. Ob sie wirklich den Willen und die Kraft dazu aufbringen werden?

    Eine "Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" ist zweifelsohne etwas Fragwürdiges. Sollte es im Bistum Limburg dann tatsächlich anders zugehen als im Bistum Regensburg? Möglicherweise ist das in der aktuellen, verfahrenen Situation aber die einzige Chance für diese in ihren Krisen und Kämpfen gefangene Kirche - will sie im Leben einer Vielzahl von Menschen noch eine Rolle spielen und mit der "Frohen Botschaft", die unverändert kraftvoll ist, durchdringen.

    Die römisch-katholische Kirche in Deutschland steht seit Donnerstag mehr denn je vor einer ungewissen Zukunft. Und mehr denn je besteht die Gefahr, dass es sie zerreißt. Am größten jedoch ist die Gefahr, dass sie den Menschen – selbst dem inneren Kern der Engagierten - egal wird. Noch sind diese „nur“ wütend, traurig oder frustriert.

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