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Kommentar: Ein Jahr nach den Hamas-Anschlägen trotzt ein Volk dem Terror

Kommentar

Ein Jahr nach den Hamas-Anschlägen trotzt ein Volk dem Terror

Rudi Wais
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    Auf dem Dizengoff-Platz in Tel Aviv wir der Opfer der Hamas-Anschläge gedacht.
    Auf dem Dizengoff-Platz in Tel Aviv wir der Opfer der Hamas-Anschläge gedacht. Foto: Francisco Seco/AP, dpa

    Die Zeit wird nicht alle Wunden heilen– dazu war das Verbrechen zu monströs. Ein Jahr nach den Massakern der Hamas ist Israel ein schwer traumatisiertes Land. Mütter, die um ihre Kinder bangen, die sich seit dem 7. Oktober in der Gewalt der Islamisten befinden, junge Väter, die einberufen wurden und in den Krieg ziehen mussten, die Angehörigen der weit über 1000 Toten, deren Schmerz nicht schwinden will, ganze Dorfgemeinschaften, die aus ihren Kibbuzim evakuiert wurden und nicht zurück können, weil der Schrecken noch lange nicht vorbei ist: Wer in diesen Tagen mit Israelis spricht, bekommt schnell ein Gefühl dafür, was es heißt, buchstäblich über Nacht zum Opfer zu werden.

    Im unbeteiligten Rest der Welt ist dieses Gefühl leider etwas unterentwickelt. Dort drehen sich die Diskussionen um die Frage, ob Israels Vorgehen in Gaza und im Libanon gegen das Völkerrecht verstößt. Dort wird mit wachsender Ungeduld eine Waffenruhe eingefordert, obwohl die vor allem der Hamas und der Hisbollah nutzen dürfte, die sofort wieder aufrüsten würden. Und dort hatte ein Generalsekretär der Vereinten Nationen die Frechheit, Israel für die Morde der Hamas mitverantwortlich zu machen, weil diese nicht im luftleeren Raum geschehen seien, wie António Guterres allen Ernstes behauptete. Als seien die Juden selbst schuld an ihrem Schicksal.

    Juden haben gelernt, mit der Bedrohung zu leben

    Bis zum 7. Oktober war Israel ein aufstrebendes, im Herzen positiv gestimmtes Land mit einem beeindruckenden Erfindergeist, einer nicht allzu beliebten Regierung und einem steten Zustrom von Juden aus aller Welt. Heute ist Israel ein Land, das sich seiner selbst neu vergewissern muss. Vom Tag seiner Gründung an, als es von einer Allianz arabischer Staaten angegriffen wurde, hat Israel gelernt, mit der latenten Bedrohung zu leben und auch eine enorme Resilienz gegen sie entwickelt. Unter dem Feuer der Hamas, der Hisbollah, der jemenitischen Huthis und des Iran aber kann es seine Bürger, jüdischer wie arabischer Herkunft, im Moment nur noch unter großen Mühen schützen. Das Gefühl der relativen Sicherheit, das viele Israelis trotz ständiger Raketenangriffe und Selbstmordattentate bis zum 7. Oktober hatten, ist einer wachsenden Sorge um die eigene Zukunft und die des ganzen Landes gewichen. Auch deshalb ist die Härte, mit der Israel gegen seine Feinde vorgeht, alternativlos.

    Gerade erst haben die Juden Rosh Hashanah gefeiert, ihr Neujahrsfest, das unter anderen Umständen ein Fest der Freude wäre, ein mehrtägiges, ausgelassenes Schlemmen. Am Freitag folgt ihm der höchste religiöse Feiertag, Jom Kippur, an dem viel gebetet und streng gefastet wird. Dieses Nebeneinander aus säkularer Lebensfreude und orthodoxer Tradition macht Israel so faszinierend - diesmal aber hängt ein Schatten der Trauer über den Feiertagen, zwischen denen der Jahrestag des größten Judenmordes seit der Shoah wie ein Menetekel liegt.

    Der Krieg gegen die Hamas und die Hisbollah dauert länger als gedacht, er verlangt den Israelis materiell und emotional vieles ab, er schweißt diese Schicksalsgemeinschaft der Resilienten auf tragische Art aber auch noch enger zusammen. Kaum eine Familie, die nicht in irgendeiner Form zum Opfer des Terrors wurde, kaum ein Tag, an dem Israelis nicht irgendwo gemeinsam in einem Schutzraum auf das Ende eines Alarms warten, Eltern, Kinder, Nachbarn, Passanten. Das Gefühl, gemeinsam dem Terror zu trotzen, verbindet sie - und wird ihr Land, anders als Hamas und Hisbollah glauben, am Ende nur stärker machen .

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    7 Kommentare
    Wolfgang Schwank

    In der Überschrift fehlt: ".... und übt selbst Terror aus!" Aber gut, der ganze Kommentar strotzt vor Einseitigkeit und wird der Realität nicht gerecht.

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    Peter Pfleiderer

    Wieder eine Beitrag aus der Reihe linker Selbstdemontage in Deutschland?

    Gerold Rainer

    Man muss aber ganz klar festhalten, welche Kriegspartei der anderen das Existenzrecht verweigern will. Der Gazastreifen könnte ein boomendes Badeparadies sein mit reichlich Arbeitsplätzen und wachsendem Wohlstand. Die Herrscher des Territoriums wollen aber die Menschen vorsätzlich in Hass und Armut halten. Genau so wie Russland mit seiner Infrastruktur, seinem Bildungsniveau und seinen Bodenschätzen eine führende Industrienation sein könnte, aber von Putin in Armut und im Krieg gehalten wird.

    Wolfgang Leonhard

    Gerold Rainer, Sie übersehen, dass Israel den Palästinensern im Westjordanland ebenso das Existenzrecht verweigert, indem es deren Land seit Jahrzehnten rechtswidrig besiedelt und die dortige Bevölkerung schikaniert und terrorisiert. Diesen Aspekt der Auseinandersetzung klammert Herr Wais in seinen Artikeln und Kommentaren konsequent aus. Mit seriösem Und wahrhaftigem Journalismus hat das nichts zu tun. Es handelt sich lediglich um proisraelische Propaganda. Das Hauptproblem ist: Netanjahu hat keinen Plan, wie es nach dieser Orgie der Gewalt politisch weitergehen soll.

    Maria Reichenauer

    Linke Selbstdemontage ist Ihrer Meinung nach also, wenn man Opfer der einen Seite betrauert und die vielfach größeren Opfer der anderen Seite abhakt mit "Selbst schuld"? Ein seltsam selbstgerechter Blick auf die Welt, der an der Realität weit vorbei geht.

    Maria Reichenauer

    "Juden haben gelernt, mit der Bedrohung zu leben" Leider haben sie nicht gelernt, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben. Netanjahu ht die Hamas benutzt, toleriert und gefördert, um Abbas in Schach zu halten. Israel hat Gaza abgeriegelt und abhängig gemacht, von sich und von der Hamas – und damit eine Brutstätte von Terror geschaffen. Mein Mitgefühl gehört ALLEN Opfern, den israelischen, aber auch den vielen Menschen, die im Gaza, in Libanon und im Westjordanland zu Tode gekommen sind. Israel hat tausendfach Rache genommen und den Hass gegen sich weiter geschürt, es hat keinen Plan, wie es nach den Zerstörungen im Gaza weitergehen soll, es fördert militante Siedler im Westjordanland, statt dort mit den Palästinensern Frieden zu schließen. Israel glaubt, das Völkerrecht gilt nur für andere. Aber irgendwann muss dem "auserwählten Volk" jemand erklären, dass es nicht agieren kann, wie es will. Dass Rudi Wais an der Realität vorbei kommentiert, ist ja nichts neues. Leider.

    Maria Reichenauer

    Einem Generalsekretär der Vereinten Nationen "Frechheit" zu unterstellen, weil er beide Seiten sieht und auch vertritt, das ist eigentlich schon eine Portion Frechheit des Kommentators. Man weiß mittlerweile, dass es sehr wohl Warnungen im Vorfeld gab. In der Süddeutschen vom 30.11.2023 gibt es einen großen Bericht dazu. Auch das israelische Blatt Haaretz hat darüber berichtet. Die Verantwortlichen haben also durchaus Mitschuld. Und Netanjahu hat Mitschuld. weil er die Hamas vor seinen Karren spannen wollte. Jetzt ist das nach hinten losgegangen – auf Kosten vieler seiner Landsleute. Dazu: https://www.dw.com/de/netanjahu-wollte-pal%C3%A4stinenser-spalten-und-spaltete-israel/a-68045450.

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