Dass ein bestimmtes Ministerium immer die Person bekommt, die fachlich am besten dafür qualifiziert ist, glaubt ja ohnehin nur, wer auch an das Christkind glaubt. Wie heftig wurde in früheren Jahrzehnten doch der Regionalproporz geschmäht, nach dem mitunter viel mehr zählte, dass die Ministerin oder der Minister aus dem passenden Bundesland stammten. Heute liegen die Dinge viel komplizierter und das führt nun dazu, dass Bayern im Kabinett künftig nicht mehr vertreten ist. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) aus Augsburg zählt formell nämlich als Staatssekretärin.
Durch männliche FDP-Minister geriet die SPD unter Zugzwang
Es ist gut, dass Olaf Scholz versprochen hat, sein Ampel-Kabinett je zur Hälfte mit Männern und Frauen zu besetzen. Weil aber die FDP nur eine Frau und drei Männer schickt, geriet er gehörig in Zugzwang. Bei den Grünen war es noch komplizierter, denn da geht es auch um die Flügelzugehörigkeit und den Wunsch, Menschen mit migrantischem Hintergrund zu repräsentieren. So musste der linke Bayer Toni Hofreiter dem anatolisch-schwäbischen Realo Cem Özdemir den Vortritt lassen.
Karl Lauterbach wird Gesundheitsminister
Scholz’ Paritätsversprechen hätte beinahe dafür gesorgt, dass Karl Lauterbach, seit fast zwei Jahren eine Art gefühlter Gesundheitsminister, leer ausgegangen wäre. Das aber wäre dem Volk dann doch schwer zu vermitteln gewesen. Nun aber stimmt erstens die Rechnung mit dem paritätisch besetzten Kabinett nicht so ganz. Zur Regierung zählen nicht nur die acht Ministerinnen und acht Minister. Sondern natürlich auch der Kanzler. Deshalb gibt es jetzt einen Mann mehr in der Runde. Und zweitens hat der Rheinländer Lauterbach keinen Platz für bayerische Kabinettskandidatinnen gelassen.
Der Regionalproporz spielt keine Rolle
So ist der Regionalproporz völlig unter die Räder gekommen. Die meisten Regierungsmitglieder stammen aus dem Westen und Norden der Republik, nur zwei dagegen aus den neuen fünf Ländern im Osten. Der Stuttgarter Özdemir und die in Mannheim geboren Christine Lambrecht, die freilich zuletzt lange ihre politische Heimat in Hessen hatte, vertreten Baden-Württemberg. Wie schon zuvor Grüne und FDP zeigte auch die SPD kein weißblaues Herz. Eines der größten und wirtschaftsstärksten Bundesländer geht komplett leer aus – was ist bloß aus dem guten, alten Regionalproporz geworden?
Sabine Dittmar, Ärztin aus Unterfranken und als Gesundheitsministerin gehandelt, hatte ebenso das Nachsehen, wie die Menschenrechtlerin Bärbel Kofler aus Oberbayern, die für das Entwicklungsministerium im Gespräch war. Klar, im Freistaat stehen die drei Ampel-Parteien traditionell doch sehr im Schatten der CSU. Aber wenigstens ein echter Kabinettsposten in bayerischen Händen, das hätte der künftigen Bundesregierung dann doch gut zu Gesicht gestanden.
Kein Bayer im Kabinett: Der CSU dürfte das gefallen
Mit dem Proporz mögen es die Politiker in früheren Zeiten übertrieben haben. Doch für Olaf Scholz, der eigentlich ein gewiefter Stratege ist, könnte es zur Hypothek werden, dass beträchtliche Teile des Landes sich nicht oder nur unzureichend im neuen Kabinett vertreten fühlen. Natürlich lassen sich nicht immer alle regionalen Ansprüche befriedigen. Und manchmal kommt es zu Unwuchten in eine ganz andere Richtung. Da werden einzelne Länder weit über Gebühr berücksichtigt. Wie zuletzt das Saarland.
Kaum eine Million Menschen leben dort, doch im Kabinett Merkel sind mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Heiko Maas, Peter Altmaier gleich drei Landeskinder vertreten. Dass das Mini-Bundesland dieses Mal leer ausgeht, kann immerhin noch als ausgleichende Gerechtigkeit verbucht werden. Doch der Freistaat ganz ohne Minister? Das dürfte vor allem der CSU gefallen. Die beklagt das bayernlose Kabinett zwar zu Recht, wird sich insgeheim aber auch freuen. Denn nun kann sie behaupten, nur sie könne eine standesgemäße weißblaue Vertretung in der Bundeshauptstadt gewährleisten.