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Kommentar: Durch den Krieg steht auch die Ampel vor einer Zeitenwende

Kommentar

Durch den Krieg steht auch die Ampel vor einer Zeitenwende

Rudi Wais
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    Bundeskanzler Olaf Scholz (m.) im Gespräch mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) und Finanzminister Christian Lindner.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (m.) im Gespräch mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) und Finanzminister Christian Lindner. Foto: Omer Messinger, dpa (Archiv)

    Krisen schweißen Regierungen zusammen. Im Herbst des Terrorjahres 2001 passte nach den Attentaten in den USA kein Blatt mehr zwischen Gerhard Schröder und seinem Vizekanzler Joschka Fischer, der die Grünen am Ende sogar von der Notwendigkeit eines Bundeswehreinsatzes in Afghanistan überzeugte. Im Herbst 2008 garantierten Angela Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück buchstäblich mit ihrem guten Namen für die Sparguthaben der Deutschen, nachdem die globale Finanzkrise auch die Bundesrepublik mit zerstörerischer Wucht zu treffen drohte. Und selbst in der Corona-Krise ist es der Großen Koalition auf der letzten Etappe ihrer Regierungszeit gelungen, zumindest die ökonomischen Kollateralschäden halbwegs in Grenzen zu halten.

    Allen drei Krisen war dabei eines gemeinsam: Sie trafen das Land zu einer Zeit, als die jeweiligen Regierungen schon etabliert und sortiert waren. Wladimir Putins Kampfansage an den Rest der Welt dagegen hat die Ampelkoalition noch in der Phase der Selbstfindung kalt erwischt: Eine Verteidigungsministerin, der die Verteidigungspolitik bis vor kurzem so fremd war wie Putin die Demokratie; eine Außenministerin ohne jede Regierungserfahrung – und an der Spitze der neuen Regierung ein Kanzler, der sich in Wort und Tat schon darauf eingestellt hatte, Angela Merkels Erbe unaufgeregt zu verwalten. Ein Krieg? In Europa? Undenkbar.

    Scholz hat instinktiv vieles richtig gemacht

    Wie sein einstiger Mentor Schröder 2001 hat auch Olaf Scholz in dieser schwierigen Situation instinktiv vieles richtig gemacht. Er hat die Zeitenwende, von der er im Bundestag sprach, früher erkannt als andere und mit seinem 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr die logischen Schlüsse aus der radikal veränderten Bedrohungslage gezogen. Ob seine Koalition ihm dabei so loyal folgt, wie es jetzt nötig wäre, ist aber alles andere als ausgemacht. Die Fliehkräfte in den Ampelparteien sind jedenfalls um einiges größer, als es nach außen den Anschein haben soll. Vor allem an der grünen Basis wächst die Sorge, dass am Ende zu viel Geld für die nationale Sicherheit ausgegeben wird und zu wenig für das Klima.

    Beides gleichzeitig zu finanzieren, 100 Milliarden für die Truppe und 200 Milliarden für das Weltklima, ist zwar formell Beschlusslage der Koalition – Papier aber ist geduldig. Wenn Finanzminister Christian Lindner sein Credo von der Schuldenbremse und den soliden Staatsfinanzen nicht auf dem Altar der politischen Beliebigkeit opfern will, wird er in den nächsten Monaten harte Verteilungskämpfe mit den Grünen führen müssen. Ausgang ungewiss. Erschwerend hinzu kommt die beängstigend hohe Inflation, die seinen Spielraum zusätzlich einschränkt, weil er mittelfristig mit höheren Zinsen und entsprechenden Mehrausgaben im Bundeshaushalt kalkulieren muss, mögliche Folgekosten der Ukraine-Krise wie Steuersenkungen auf Benzin oder Entlastungen an anderer Stelle noch nicht mitgerechnet.

    Regierungen sind schon an kleineren Widersprüchen gescheitert

    Beim Geld hört bekanntlich auch in der Politik die Freundschaft auf. Solange Putin Krieg führt, werden die Ampelparteien ihre Konflikte noch zu unterdrücken versuchen und genau jenes Bild der Geschlossenheit bieten, das die Menschen in einer solchen Situation von ihrer Regierung erwarten. Umso bitterer allerdings dürfte das Aufwachen am Tag danach werden. Lange Listen an politischen Wünschen, eine womöglich erschreckend geringe Verfügungsmasse und in den Bundestagsfraktionen von Grünen und Sozialdemokraten eine Garde junger, wilder Abgeordnete, der es mit mit dem Verändern in Deutschland gar nicht schnell genug gehen kann: Der Kanzler Scholz wird dann auf der Hut sein müssen. Regierungen sind schon an kleineren Widersprüchen gescheitert.

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