Der nach kostenfreier Horrorlektüre sucht, ist mit dem Jahreswirtschaftsbericht gut bedient. Ein Wachstum von lediglich 0,2 Prozent in 2024 ist die erste Schocknachricht, die Wirtschaftsminister Robert Habeck darin verkündet. Sie wäre noch zu verschmerzen, wenn die Aussichten gut wären. Doch die sind desaströs. Bis 2028 rechnet die Regierung mit einem jährlichen Potenzialwachstum von durchschnittlich nur noch 0,5 Prozent. Zum Vergleich: In den 80er-Jahren lag es bei zwei Prozent, also dem Vierfachen.
Wachstumschancen "durch eine hohe Unsicherheit geprägt"
Das Gruseln geht noch weiter, denn selbst dieser Ausblick auf die Wachstumschancen in den kommenden Jahren ist „durch eine hohe Unsicherheit geprägt“. Risiken liegen im Rückgang des Arbeitsvolumens sowie in einer kritischen Entwicklung im Bildungsbereich, weil schulische Leistungen immer schlechter und Berufsausbildungen öfter abgebrochen werden.
Nun ist es nicht etwa so, dass Habeck und die Ampel an dem ganzen Dilemma die Schuld tragen. Der Jahreswirtschaftsbericht gibt Entwicklungen wieder, für die SPD, Grüne und FDP nichts können. Der Krieg in der Ukraine etwa, die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft oder der bis heute nachwirkende Protektionismus eines US-Präsidenten Donald Trump, der womöglich wieder ins Amt kommt und dann für neue Unsicherheiten sorgen dürfte.
Ampel lässt wenig zu und verhindert viel
In dem Horrorkatalog verbirgt sich auch eine gute Nachricht. Habeck und die Ampel-Regierung benennen zehn Maßnahmen, wie dem Übel beizukommen ist. Die kosten zwar entweder viel Geld, wie etwa die „Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur“. Oder aber sie sind umstritten, hier wäre als Beispiel die Förderung klimaneutraler Industrieproduktion zu nennen. Wieder andere kommen aus der Mottenkiste: ein Bürokratieabbau wurde schon von vielen Regierungen versprochen, in Wahrheit ist alles über die Jahre noch komplizierter geworden. Aber immerhin.
Wofür Habeck und die anderen im Kabinett sehr wohl etwas können, ist die Unfähigkeit dieser Regierung, sich zu einigen. Ständig wird gestritten. Die Koalition lässt wenig zu und verhindert viel. Beizukommen ist dem nur, wenn die Gruppe der Entscheider kleiner wird und nicht mehr alle ständig dazwischenreden. Habeck, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) müssen die Sache also unter sich ausmachen und ihre Beschlüsse zur Rettung der Wirtschaft anschließend unbeirrt durchziehen. Vor allem notwendig wäre es, dass Habeck und Lindner zunächst ihren Dauerzoff überwinden.
Die Dominanz des Trios wäre ein ungewöhnliches Unterfangen in einer Demokratie. Die Lage ist allerdings auch ungewöhnlich dramatisch.