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Kommentar: Diese Tierwohlabgabe dient der Regierung, nicht den Tieren

Kommentar

Diese Tierwohlabgabe dient der Regierung, nicht den Tieren

Stefan Lange
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    Das Agrarministerium hat für den "Tierwohl-Cent" ein Konzept für eine Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte erarbeitet. Entschieden ist damit allerdings noch gar nichts.
    Das Agrarministerium hat für den "Tierwohl-Cent" ein Konzept für eine Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte erarbeitet. Entschieden ist damit allerdings noch gar nichts. Foto: Marijan Murat, dpa

    Bei der Einführung einer Tierwohlabgabe hat sich die Politik in Berlin komplett verrannt. Anstatt innezuhalten und in Ruhe nachzudenken, rennt sie weiter und macht alles nur noch schlimmer. Weder den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist mit den bisher bekannten Plänen geholfen, noch der Landwirtschaft. Den Tieren schon gar nicht.

    Landwirtschaftsminister Cem Özdemir plant einen „Tierwohl-Cent“, und da geht es los mit dem Durcheinander. Vermutlich sind es 40 Cent, die aufs Kilo Fleisch draufgeschlagen werden sollen. Das jedenfalls ist die Hausnummer, die die Borchert-Kommission vorgeschlagen hat. Doch die Idee war schon brüchig, als sie aufgeschrieben wurde: Das zur Beratung der Regierung eingesetzte Expertengremium schmiss im August 2023 nach fünf Jahren im Streit die Arbeit hin, ihre Empfehlungen sind nicht mehr angepasst worden. Medienberichten zufolge denkt Özdemir sogar über eine Abgabe in Höhe der Kaffeesteuer nach. Das schlägt komplett auf den Magen, denn die beträgt für Röstkaffee 2,19 Euro und für löslichen Kaffee 4,78 Euro je Kilogramm.

    Özdemir und Lindner im Clinch

    Wer als Medienvertreter von der Ampelregierung wissen will, wie denn nun der Stand ist, gerät ins Pingpong-Spiel der Ministerien. Das Landwirtschaftsministerium des Grünen-Ministers Özdemir erklärt, dass es bislang lediglich „ein Konzept im Auftrag der Ampelfraktionen für einen Tierwohl-Cent vorgelegt“ habe. Ob es sich bei der Abgabe um eine neue Steuer handele, dazu will das Ministerium nichts sagen, denn die Zuständigkeit liege ja beim Bundesfinanzministerium. Also wandert die Frage weiter an das von Christian Lindner (FDP) geführte Ressort. Das antwortet lapidar: „Wie Sie wissen, ist es nicht vorgesehen, eine neue Steuer einzuführen.“ Wer würde sich da nicht an Goethe erinnert fühlen, der einst dichtete: „Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

    Hinter der geplanten Abgabe steckt der Gedanke, dass die Tierhaltung in Deutschland im Argen liegt und dringend umgebaut werden müsse. Das emotional besetzte Bild von der geschundenen Kreatur hat mit den Fakten allerdings wenig zu tun. Denn die allermeisten Bäuerinnen und Bauern sind Fachkräfte und machen alles, damit sich ihre Tiere wohlfühlen. Dies mindestens aus der Erkenntnis heraus, dass man mit seinem Betriebskapital pfleglich umgeht. Oft aber auch, weil die Tiere zum Hof dazugehören, vielleicht sogar eigene Namen haben. 

    Tierwohl versus Agrardiesel

    Unglücklicherweise vermischt sich die Debatte über eine Tierwohlabgabe gerade mit dem Streit über die Förderkulisse der Bundesregierung und deren Entscheidung, die Subventionierung des Agrardiesels schrittweise abzubauen. Es sind deshalb noch mehr Emotionen im Spiel als ohnehin schon. Gleichzeitig stinkt es an dieser Stelle, beim Geld also, ganz gewaltig. Falls eine Tierwohlabgabe eingeführt wird, würden die Einnahmen in den allgemeinen Bundeshaushalt fließen. Das ginge gar nicht anders, das ist bei jeder Steuer so. Sie käme also erst einmal nicht dem Wohl der Tiere, sondern dem der Regierung zugute. 

    Anstatt über eine Preiserhöhung für Fleisch zu diskutieren, sollte die Politik stärker Aufklärung betreiben. Früher gab es den Sonntagsbraten, heute kommt in vielen Haushalten jeden Tag Fleisch auf den Tisch. Die Tierwohlabgabe soll das ändern, vor allem die Grünen kalkulieren, dass weniger Fleisch gegessen wird, je teurer es wird. In Wahrheit werden die Kühltruhen und Fleischtheken einfach nur mit noch mehr Billigfleisch aus dem Ausland befüllt. Am Konsum ändert sich durch höhere Preise gar nichts, dafür bräuchte es einen Mentalitätswechsel, der zum Beispiel im Schulunterricht eingeläutet werden könnte. Die Regionalvermarkter stehen bereit, sie garantieren kurze Wege und den direkten Kontakt zu den Höfen. Aber wenn es einfach wäre, dann wäre es nicht Politik. 

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