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Kommentar: Die Zukunft der Arbeit muss jetzt gestaltet werden

Kommentar

Die Zukunft der Arbeit muss jetzt gestaltet werden

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    Obwohl die Home-Office-Pflicht vorbei ist, arbeiten viele Menschen weiterhin von Zuhause aus.
    Obwohl die Home-Office-Pflicht vorbei ist, arbeiten viele Menschen weiterhin von Zuhause aus. Foto: Sebastian Kahnert, dpa (Symbolbild)

    Zwischen dem Licht am Ende des Corona-Tunnels und den bedrohlichen Schatten des Ukraine-Krieges sollte dieser Tag der Arbeit nicht nur Verschnauf-, sondern auch Denkpause sein. In welche Richtung wird sich die Berufswelt in Zukunft entwickeln? Wie stark können wir das überhaupt beeinflussen?

    Das sind so bange wie offene Fragen, sicher ist nur, dass die Veränderungen gewaltig sein werden. Einen winzigen Vorgeschmack gibt es gerade in den Büros, die sich nach einem durch die Pandemie erzwungenen Home-Office-Großversuch wieder füllen. Aber nur langsam, denn viele Beschäftigte wollen weiterhin zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten. Weil in etlichen Bereichen der Wirtschaft Fachkräftemangel herrscht, können sich Unternehmen den Wünschen des Personals nach mehr Flexibilität gar nicht mehr widersetzen.

    Die Auswirkungen von Corona auf die Arbeitswelt sind vielschichtig

    In den USA haben bereits Millionen Frauen und Männer ihre Jobs gekündigt und sich neue gesucht, die bessere Bezahlung oder mehr Erfüllung versprechen. Hierzulande glauben manche, dass jetzt die Beschäftigten am Drücker sind und sogar eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich durchsetzbar wäre. Doch eine solche Euphorie ist kurzsichtig. Schon die Auswirkungen von Corona sind extrem vielschichtig, Home-Office ist für diejenigen, die in Pflege, Produktion, Bau oder Handel arbeiten, kein Thema.

    In weiten Teilen der Wirtschaft haben nur Kurzarbeit und andere staatlich mit Abermilliarden Euro geförderte Stützungsmaßnahmen Massenarbeitslosigkeit verhindert. In Kliniken oder im Lebensmittelhandel dagegen arbeitete das Personal am Anschlag.

    Die Folgen des Ukraine-Kriegs auf die Industrie sind kaum absehbar

    Viele Selbstständige, darunter Musiker oder Künstler, mussten während des pandemiebedingten gesellschaftlichen Stillstands aufgeben. Unternehmen in Gastronomie oder Tourismus kündigten Köchinnen oder Kellnern. Jetzt, wo es wieder aufwärts ginge, fehlen sie, denn viele haben inzwischen neue Jobs bekommen. Etwa im während der Pandemie boomenden Online-Versandhandel.

    Noch ist Corona nicht besiegt, da kommen schon die nächsten Krisen um die Ecke. Wie sich der Ukraine-Krieg auswirken wird, ist erst in Ansätzen absehbar. Wenn russisches Gas immer teurer wird oder gar nicht mehr fließt, könnten wichtige Branchen wie die chemische Industrie ganz schnell in die Knie gehen. Internationale Instabilität und Inflation bergen gerade für den Exportweltmeister Deutschland gewaltige Risiken. Schlüsselindustrien wie der Autobau standen schon vor dem Krieg vor gewaltigen Umbrüchen. Heimische Vorzeigeunternehmen hinken technisch teils dem US-Elektroauto-Pionier Tesla hinterher.

    Der technische Fortschritt gefährdet viele Jobs

    Zigtausende Jobs sind in der Zulieferbranche in Gefahr, weil Stromer viel weniger Teile benötigen als Verbrenner. Der rasend voranschreitenden digitale und technische Fortschritt hat das Potenzial, ganze Branchen schlagartig aus den Angeln zu heben. Schaffen selbstfahrende Fahrzeuge den Durchbruch, wird es keine Menschen mehr brauchen, die Lastwagen und Busse, Taxis, Schiffe und Flugzeuge steuern. Generell kann künstliche Intelligenz viele, selbst höher qualifizierte Arbeitsplätze überflüssig machen.

    Wo Risiken drohen, bieten sich auch Chancen. Maschinen könnten dröge oder körperlich harte Tätigkeiten übernehmen, die Menschen entlasten und unterstützen, Jobs sowohl profitabler als auch erfüllender machen. Insgesamt wird die Arbeit nicht ausgehen, doch vieles wird sich verschieben. In der Pflege oder im Bereich der erneuerbaren Energien könnten Menschen mit aussterbenden Berufen neue Aufgaben finden, doch dafür bedarf es gewaltiger Anstrengungen bei Um- und Weiterbildung.

    Privilegiertes Home-Office gegenüber prekärer Arbeit: Soweit darf es nicht kommen

    Gegen die kommenden Herausforderungen für die Arbeitswelt werden sich die Pandemie-Folgen wie ein Klacks ausnehmen. Es ist also nicht die Zeit, in der Unternehmen und Beschäftigte ihre Kräfte messen sollten. Vielmehr muss jetzt zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik die Debatte beginnen, wie erreicht werden kann, dass künftig möglichst viele Menschen möglichst gute, anständig bezahlte und befriedigende Arbeitsplätze haben. Ob diese von zu Hause aus erledigt werden können, im Büro, in der Fabrik oder im Geschäft, ist da nachrangig.

    Denn eine fortschreitende Spaltung der Gesellschaft in einen privilegierten, hoch bezahlten Home-Office-Adel und ein wachsendes Heer von Menschen in prekären Jobs, die sich immer stärker abgehängt fühlen, wäre Gift für unsere Demokratie.

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