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Kommentar: Die Würde des Menschen ist antastbar geworden

Kommentar

Die Würde des Menschen ist antastbar geworden

Margit Hufnagel
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    Im Krieg in der Ukraine werden fortlaufend die Menschenrechte verletzt.
    Im Krieg in der Ukraine werden fortlaufend die Menschenrechte verletzt. Foto: Efrem Lukatsky, dpa

    Der Satz erscheint so banal, dass man ihn beinahe für überflüssig halten könnte. Doch gerade in seiner Schlichtheit liegt das Revolutionäre. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Als er niedergeschrieben wurde, hatte die Menschheit gerade einen Zivilisationsbruch erlebt. Es war der 10. Dezember 1948, die Gräuel des Zweiten Weltkrieges steckten den Menschen noch in den Knochen, als die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedeten.

    Dass jeder Rechte besitzt, nur weil er ein Mensch ist – das war alles andere als selbstverständlich. Und das ist auch heute, 75 Jahre später, alles andere als selbstverständlich. Lange nicht mehr standen die Menschenrechte weltweit so stark unter Druck wie aktuell. Ideologien werden über das Wohl der Gesellschaft gestellt, Machtstreben über Menschlichkeit. Die Würde des Menschen, sie ist leider antastbar. 

    Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, wo Orte wie Butscha zum Synonym für Grausamkeit wurden. Die Verhaftung von Frauen und Oppositionellen im Iran, die sich ein kleines Stück vom Kuchen namens Freiheit abschneiden wollen. Die immer massiveren Eingriffe in den Alltag der Menschen in der Türkei. Das barbarische Verbrechen der Hamas an israelischen Frauen, Kindern und Männern. Afghanistan, Sudan, Myanmar. Es sind die autoritären Herrscher und Systeme dieser Welt, die sich nicht um Menschenrechte scheren. 

    In den Niederlanden will Geert Wilders den Koran verbieten

    Doch auch in Europa bleibt der Begriff manchmal unterkühlt-abstrakt. Theoretisch ist man dafür, aber praktisch? Wenn Flüchtlinge wie selbstverständlich in Lager eingesperrt, wenn Menschen aufgrund ihrer Religion benachteiligt werden, wenn die Justiz nicht mehr unabhängig urteilen kann, dann muss die Öffentlichkeit hellhörig werden. Selbst in der Europäischen Union gibt es mit Ungarn und Polen zwei Länder, die die Rechtslage bisweilen erstaunlich großzügig zu ihren Gunsten auslegen. Und auch wir müssen uns fragen, ob unser Umgang mit dem Thema Prostitution nicht ein Angriff auf die Würde der Frau ist – ausgeführt unter dem Deckmäntelchen der Liberalität. Um des lieben Friedens (oder der Realpolitik) willen bleibt es meist bei mahnenden Worten. Es ist ein hohes Risiko, das wir damit eingehen. 

    Das Klima wird aufgeheizt und die Gefahr, dass aus einem kleinen Glutnest ein Flächenbrand entsteht, sollte nicht unterschätzt werden. Gerade erst hat in den Niederlanden ein Mann die Wahlen gewonnen, der den Koran verbieten will. Es wäre nichts anderes als ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte. Doch der Grundsatz, den wir uns gegeben haben, gilt eben nicht nur, solange er bequem ist. Im Gegenteil. Erst wenn Menschenrechte unter Beschuss geraten, zeigt sich, wie viel unser Schwur überhaupt wert ist. Mal kurz die Pause-Taste drücken? Nein! Es gibt eben kein Anrecht auf einen bequemen politischen Weg. 

    In den Entwicklungsländern werden Fortschritte zunichtegemacht

    Wer das nicht glaubt, sollte seinen Blick weiten auf all jene Menschen, die von Menschenrechten nur träumen können – obwohl sie nicht in einem Kriegsstaat leben. Die Armut wächst, der Hunger wächst. Statt Fortschritten gibt es Rückschritte. Ausgerechnet die Vereinten Nationen agieren kraft- und machtlos. Die Spaltung der Welt hat den UN den Stecker gezogen, kaum bei einem einzigen Konflikt in den vergangenen Jahren waren sie wirklich zu einer robusten Antwort bereit. 

    Die Achtung der Menschenrechte ist ein echter zivilisatorischer Meilenstein. Allein dieses Bewusstsein würde viel Leid verhindern.

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