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Kommentar: Die US-Wahl wird die Weltordnung aufmischen

Kommentar

Die US-Wahl wird die Weltordnung aufmischen

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    Der Wahlsieg von Donald Trump könnte große Auswirkungen haben.
    Der Wahlsieg von Donald Trump könnte große Auswirkungen haben. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Eine faustdicke Sensation, schon wieder: Donald Trumps Sieg haben professionelle Beobachter so wenig für möglich gehalten wie das Brexit-Referendum im Juni. Hillary Clinton hat den gesamten Wahlkampf hindurch die Umfragen dominiert, sie führte bis zum letzten Tag. Doch Trump hat Menschen erreicht, die sich an traditionellen Formen der politischen Meinungsbildung längst nicht mehr beteiligten – an Umfragen so wenig wie an Wahlen.

    Der Frust derjenigen, die sich von der Globalisierung betrogen und von der Gesellschaft abgehängt fühlen, ist größer, als die Eliten es wahrhatten. Denn Trump hat keinerlei politische Erfahrung. Er hat nie einen klaren Plan vorgelegt und ist konkurrenzlos unbeliebt. „Du bist gefeuert“ lautete der Satz, mit dem er bei der TV-Serie „The Apprentice“ zur Marke wurde. Dafür haben seine Anhänger ihn letztlich gewählt: Trumps Kür stellt dem politischen Establishment der USA den Stuhl vor die Tür und den Erwartungen der Weltgemeinschaft gleich mit. Die Sehnsucht nach Veränderung war mächtiger als das Bedürfnis, die Richtung zu kennen.

    Was bedeutet das Wahlsieg für die Welt?

    Was Trumps Sieg für die Zukunft all jener bedeutet, die er im Wahlkampf beleidigt, bedroht und ausgegrenzt hat, ist ungewiss – so wie das Schicksal vieler Menschen, die nur dank der Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama eine Krankenversicherung haben. Trump hat angekündigt, die Agenda des Amtsinhabers zu großen Teilen zurückzurollen. Mit Mehrheiten in beiden Kongresskammern hat er weitgehende Möglichkeiten.

    Das betrifft auch den internationalen Bereich: das Klimaabkommen von Paris, am Freitag in Kraft getreten. Das transpazifische Handelsabkommen, das Trump neu verhandeln oder kippen will. Beim transatlantischen Schwesterprojekt TTIP dürfte sich vorerst gar nichts mehr tun. Mit China scheint ein Handelskrieg möglich. Das ist aber längst nicht alles.

    Die jüngste US-Wahl hat das Potenzial, eine jahrzehntealte Weltordnung aufzumischen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat kein Präsident die internationale Einbindung der USA so infrage gestellt. In Trumps nächtlicher Ansprache war von internationalen Gremien keine Rede. Die Vereinigten Staaten würden sich künftig vorrangig um ihre Interessen kümmern, sagte er, nämlich darum, von allem das Beste zu haben. Kooperationswillige Nationen werde man fair behandeln.

    Die militärische Marschrichtung von Donald Trump ist eine große Unbekannte

    Trump hat nicht nur die Verteidigungsbereitschaft gegenüber säumigen Nato-Zahlern in Zweifel gezogen, sondern auch das Bündnis als Ganzes. Das Entwicklungshilfe-Engagement der USA wollen Konservative schon lange zurückdrehen. Die niedrige Anzahl der syrischen Flüchtlinge, die die USA bislang aufnehmen, könnte auf Null zurückgehen. Trump hat sich für Schutzzonen vor Ort ausgesprochen, will aber kein Militär entsenden. Die militärische Marschrichtung ist womöglich die größte Unbekannte: Trump hat sein Land darauf eingeschworen, statt in Auslandsmissionen lieber in die eigene Heimat zu investieren. Darin lag er näher bei Barack Obama als bei Hillary Clinton. Bei konkreten Konflikten schlug Trump dann allerdings doch oft teils massive Interventionen vor.

    Was aus der Mauer an Mexikos Grenze und dem Einreiseverbot für Muslime wird, muss sich weisen; viele von Trumps Vorhaben scheinen kaum praktikabel. Trumps Politikstil dürfte weltweit Tendenzen zu Abschottung und Nationalismus verstärken. Für heute hat Amtsinhaber Obama ihn ins Weiße Haus eingeladen. Der erste schwarze Präsident wird ausgerechnet von jenem Mann beerbt, der jahrelang die Theorie befeuerte, dieser sei in Wirklichkeit ein Muslim aus Kenia. Schwer zu begreifende Zeiten.

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