Das Kapital ist ein scheues Reh. Es flieht, wenn es sich bedroht fühlt - und es flieht herdenweise. 123 Milliarden Euro haben Anleger innerhalb eines Jahres von der Schweizer Bank Credit Suisse abgezogen. ein Aderlass, den auch das robusteste Institut nicht einfach so wegsteckt und ein angeschlagenes schon gar nicht. Mit der hektisch arrangierten Übernahme durch die benachbarte UBS und den milliardenschweren Garantien des Schweizer Staates ist die Gefahr eines spektakulären Zusammenbruchs und eines neuen globalen Bankenbebens zwar fürs erste gebannt. Die Problem aber sind damit noch nicht gelöst.
Nach der Übernahme von Credit Suisse ist die UBS ein Staat im Staate
Schon die Credit Suisse alleine war "too big to fail", wie Banker und Finanzpolitiker gerne sagen – zu groß, um sie einfach sterben zu lassen. Für die neue Mega-Bank jedoch, die jetzt entsteht, gilt das doppelt und dreifach. Die UBS und die Schweiz: das erinnert an Samsung und Südkorea, wo ein Konzern so groß ist, dass er schon wegen seiner schieren Größe auch ein politischer Faktor ist. Ein Staat im Staate, wenn man so will. Beginnt ein solches Unternehmen zu husten, hustet am Ende das ganze Land.
Die Bilanzsumme der neuen, um die Credit Suisse erweiterten UBS ist fast doppelt so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung der Schweiz. Sollten ihre Kunden nun ähnlich reagieren wie die der Credit Suisse und ebenfalls im großen Stil Geld abziehen, muss es dem Finanzminister in Bern Angst und bange werden, der seine Kreditlinie von 100 Milliarden Euro für die UBS dann noch einmal kräftig aufstocken müsste., um das Institut zu stabilisieren und eine Börsenpanik wie nach der Pleite des amerikanischen Investmenthauses Lehman Brothers 2008 zu vermeiden. Ultima Ratio könnte im ungünstigsten Fall sogar eine teilweise Verstaatlichung der Bank sein – und das in der konservativ-liberalen Schweiz!
Der Fall der Credit Suisse weckt böse Erinnerungen an die Finanzkrise vor 15 Jahren
Müsste, könnte, hätte. Noch argumentieren die Analysten an den Märkten im Konjunktiv. Die Fälle der Credit Suisse und zweier ebenfalls in Not geratener, aber deutlich kleinerer amerikanischer Banken allerdings wecken böse Erinnerungen an die Finanzkrise vor 15 Jahren. Zwar sind die Banken in EU-Europa dank einer verbesserten Aufsicht, dank strengerer Vorgaben für die Höhe ihres Eigenkapitals und regelmäßiger Stresstests widerstandsfähiger geworden. Zwar sind der Fall der Credit Suisse und der kalifornischen Silicon Valley Bank beide sehr speziell, weil die eine mit diversen Skandalen und hausgemachten Problemen zu kämpfen und die andere ein Klumpenrisiko im Tech-Sektor in ihren Bilanzen stehen hatte. Die rasant gefallenen Kurse für viele andere Aktien aus der Branche allerdings zeigen, wie nervös die Finanzwelt noch immer auf Probleme im Bankensystem reagiert, und seien sie noch so speziell.. Die gefühlte Sicherheit der vergangenen Jahre war trügerisch. Der Lehman-Schock sitzt noch immer tief.
Vor diesem Hintergrund mutet auch die Kritik der europäischen Banken an den strengen Eigenkapitalvorschriften seltsam fahrlässig an. Sie sehen darin einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der amerikanischen Konkurrenz, tatsächlich jedoch zeigt sich gerade jetzt, wie wichtig ein Kapitalpuffer und ein gutes Risikomanagement sind. Eine weitere Deregulierung verbietet sich damit von selbst. Große Banken sind eben keine Unternehmen wie andere, sondern ein unverzichtbarer Teil unseres ökonomischen Nervensystems. Sine sind, buchstäblich, too big to fail. Koste es, was es wolle...