Welche Wucht die Explosion der Energiepreise entfalten wird, ist im Bewusstsein der Deutschen noch nicht angekommen. Das liegt vor allem daran, dass die Energieversorger erst bei einem Teil der Haushalte die Abschlagszahlungen angehoben haben. Außerdem ist Sommer und die naheliegende Frage ist in diesen Tagen, wie die eigene Wohnung gekühlt werden kann. Spätestens mit dem Ende des Sommers wird sich die Frage nach dem Heizen stellen. Und dann wird sich in Euro und Cent materialisieren, was seit einigen Wochen in den Zeitungen steht: Es wird verdammt teuer. Es wird viele überlasten. Es wird einige Jahre so bleiben.
Moment. Der letzte Satz ist ebenfalls noch nicht im Bewusstsein angekommen. Doch mit ziemlicher Sicherheit werden die Energiepreise mittelfristig hoch bleiben. Das liegt daran, dass günstiges russisches Gas als Brennstoff nicht mehr in großem Stil nach Deutschland fließen wird, solange Wladimir Putin im Kreml sitzt. Gleiches gilt für russisches Öl. Zwar werden hohe Preise dazu führen, dass andere Länder ihre Förderung ausweiten und damit die Preise schrittweise dämpfen, aber Russland hatte für die Versorgung mit Brennstoffen eine überragende Rolle für Deutschland und Europa.
Ein Haushalt muss über 4000 Euro mehr für Energie einkalkulieren
Was das konkret bedeutet, hat das Vergleichsportal Check24 für einen Musterhaushalt mit vier Personen ausgerechnet. Die Ausgaben für Sprit, Heizen und Strom werden dieses Jahr knapp 6900 Euro betragen. Im vergangenen Jahr waren es 2700 Euro. Tausende Euro mehr und das nicht nur einmal, sondern über mehrere Jahre, werden zu einer Belastungsprobe für Haushalte weit in die Mittelschicht hinein. Der Staat wird also gefordert sein, einen Teil der Kosten zu übernehmen, damit Familien, Rentner, Studenten und Leute mit wenig Geld nicht in kalten und dunklen Zimmern sitzen.
Allein die beiden dieses Jahr beschlossenen Entlastungspakete haben ein Volumen von 30 Milliarden Euro, um zum Beispiel Heizkostenzuschuss, Tankrabatt, Neun-Euro-Ticket und Energiepreispauschale zu finanzieren. Ob im nächsten Jahr noch einmal 30 Milliarden aufgewendet werden, ist eine politische Entscheidung. Aber fest steht, dass Finanzminister Christian Lindner viele Milliarden brauchen wird. Und 2023 und 2024 auch. Den Energieschock zu lindern wird enorme Summen kosten. Er könnte sich das Geld leihen, aber dem steht die Schuldenbremse im Weg. Lindner hat versprochen, sie einzuhalten. Er könnte die Steuern erhöhen, aber das hat der 43-Jährige ausgeschlossen.
Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt sollten einmalige Experimente bleiben
Ihm bleibt also nur, im Haushalt zu sparen und teure Ausgabenwünsche seiner Kabinettskollegen abzuwehren. Potenzial gibt es genug. Einige Beispiele: Die E-Auto-Prämie, die vergangenes Jahr über drei Milliarden verschlungen hat, kann gestrichen werden, weil die hohen Spritpreise Anreiz genug sind, sich einen Stromer zu kaufen. Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt sollten keine Neuauflage erleben, weil viele Leute davon profitieren, die sich Mobilität auch ohne Subvention leisten können. Die stete Beamtenvermehrung in den Ministerien muss gestoppt werden. Die Hartz-IV-Sätze sollten nicht über einen Inflationsausgleich angehoben werden, wie es SPD und Grüne wollen. Denn in Zeiten, in denen Unternehmen und Staat überall nach Personal suchen, sollte es nicht attraktiver gemacht werden, nicht zu arbeiten.
Direkte Zuschüsse für die Strom-, Heiz- und Tankrechnung werden erforderlich sein und es ist richtig, sie wie die Energiepreispauschale steuerpflichtig zu machen. Haushalte mit hohem Einkommen bekommen weniger, Haushalte mit kleinem Geld mehr. Generell muss die Linie gelten, von Subventionen für alle („Gießkanne“) Abstand zu nehmen. Politisch erfordert das einen harten Einsatz, weil die Abgrenzung nicht einfach ist und sich keiner gerne den Vorwurf sozialer Kälte einfängt. Erster Adressat dafür ist regelmäßig die FDP. Lindner muss verdammt standhaft sein.