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Kommentar: Die staatliche Wohnungspolitik ist gescheitert

Kommentar

Die staatliche Wohnungspolitik ist gescheitert

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    Gerade in Städten ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Bislang agiert die Politik eher hilflos.
    Gerade in Städten ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Bislang agiert die Politik eher hilflos. Foto: Ulrich Wagner

    Es könnte bald Schluss sein mit den wohlgemeinten, aber leider oft kontraproduktiven Eingriffen des Staates in den Immobilienmarkt. Das deuten mehrere Gerichtsurteile an. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurde die Mietpreisbremse gekippt. Und in Bayern untersagten die Verfassungsrichter ein Volksbegehren zu einem Mietenstopp. Sie stellten klar: Mietrecht ist Bundessache. Damit könnte auch der Berliner Mietendeckel bald fallen. In der von SPD, Linkspartei und Grünen regierten Bundeshauptstadt zeigt sich gerade überdeutlich, dass das staatliche Herumdoktern an den Mietpreisen keinen einzigen zusätzlichen Quadratmeter Wohnraum schafft. Sondern das Angebot an Mietwohnungen sogar schrumpfen lässt.

    Mietendeckel in Berlin war kontraproduktiv

    Gegen den Rat zahlreicher Experten wurde Anfang des Jahres der Berliner Mietendeckel eingeführt. Wie sich seither zeigte, hatten die Skeptiker recht. Weil Erhöhungen nun auf Jahre hinaus verboten sind, wurden zahlreiche niedrige Mieten noch schnell auf den maximal zulässigen Wert angehoben. Im teureren Segment dagegen sanken die Preise, durch die künstliche Verbilligung zieht es noch mehr Menschen in ohnehin begehrte Lagen. Gutbetuchte gönnen sich gerne das eine oder andere Zimmer mehr. Die Schlangen verzweifelter Interessenten bei Wohnungsbesichtigungen sind noch einmal deutlich länger geworden. Zuzügler, Familien mit wachsendem Platzbedarf, junge Menschen, die bei den Eltern aus- und mit dem Partner zusammenziehen wollen, kommen kaum mehr zum Zug.

    Am meisten profitieren dagegen diejenigen, die schon in ihrer Traum-Altbauwohnung aus der Gründerzeit mit Stuck an den Decken leben, natürlich in der angesagten Trendgegend. Ein frühes Baujahr sorgt im Berliner Modell für besonders niedrige Mieten, egal ob es um eine Bruchbude oder eine frisch und teuer renovierte Villa geht. Lage spielt kaum eine Rolle. Für die Bewohner von ärmeren Gegenden ändert sich meist kaum etwas. So ist der Berliner Mietendeckel entweder ein Geschenk des rot-rot-grünen Senats an treue Wählerschichten oder aber schlichtweg nicht durchdacht.

    Die langfristigen Folgen des Mietendeckels könnten gravierend sein

    Auf lange Sicht könnten die Folgen noch gravierender sein. Wenn sich das Vermieten nicht mehr lohnt, verkaufen die Besitzer ihre Objekte eben als Eigentumswohnungen. Gleichzeitig nimmt der Anreiz zum Neubau ab, wo Renditechancen eingeschränkt werden. Und zwar gar nicht so sehr bei den großen, gesichtslosen Wohnungsbaukonzernen. Selbstständige oder Freiberufler, die wenig in die Rentenversicherung eingezahlt haben, werden kaum mehr auf Vermietung als Baustein der Altersversorgung setzen.

    Massiv zurückgehen könnten auch die Sanierungen im Bestand. Wenn sich Investitionen nicht mehr über die Miete refinanzieren lassen, wird kein Besitzer mehr Geld ausgeben als unbedingt nötig. Was etwa Barrierefreiheit, Energieeffizienz oder Ausstattungsqualität betrifft, werden dann nur noch die absoluten Mindeststandards erfüllt. Der Staat sollte sich darauf beschränken, extreme Auswüchse auf dem Immobilienmarkt zu begrenzen, von flächendeckender Preismanipulation aber die Finger lassen. Das heißt nicht, dass die öffentliche Hand untätig bleiben darf in der für den sozialen Frieden so entscheidenden Frage des Wohnens. Das Grundproblem ist doch: Während in begehrten Ballungszentren Wohnraum fehlt, drohen weniger zentrale Gebiete zu veröden. Durch die Corona-Pandemie und den Trend zum Homeoffice scheint das Wohnen auf dem Land wieder an Reiz zu gewinnen. Der Staat kann nachhelfen und für ein gutes Netz öffentlicher Verkehrsmittel und flächendeckend schnelles Internet sorgen. Trotzdem wird der Wohnraum in den wirtschaftlich starken Metropolen knapp bleiben. Hier muss die Entstehung privater ebenso wie genossenschaftlicher und sozialer Wohnungen gefördert, entbürokratisiert und beschleunigt werden. Denn gegen fehlenden Wohnraum helfen nur drei Dinge: Bauen, bauen, bauen.

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