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Kommentar: Die SPD braucht einen neuen Schröder

Kommentar

Die SPD braucht einen neuen Schröder

Rudi Wais
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    Gerhard Schröder war von 1998 bis 2005 Kanzler.
    Gerhard Schröder war von 1998 bis 2005 Kanzler. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Der Meinungsforscher Manfred Güllner ist seit 55 Jahren Mitglied der SPD – und gleichzeitig einer ihrer schärfsten Kritiker. Auch mit zwei neuen Vorsitzenden an der Spitze, prophezeit er, werde sich an der desolaten Lage der Partei nicht viel ändern. Ja, schlimmer noch: Die SPD, unkt der Chef des Forsa-Instituts, sei bereits „in der Auflösung begriffen“.

    Ganz so dramatisch wird es für die gebeutelte deutsche Sozialdemokratie hoffentlich nicht kommen. Das Schaulaufen der Kandidatenpaare allerdings, das jetzt in München mit der 23. Regionalkonferenz zu Ende gegangen ist, hat die ganze Orientierungslosigkeit der Partei noch einmal wie unter einem Brennglas gebündelt: Hier die immer forscher auftretende Parteilinke, die nichts lieber will als raus aus der Koalition und teilweise schon in postsozialistischen Enteignungsfantasien schwelgt – dort die Pragmatiker in ihren Regierungsämtern, die es mit dem ehemaligen Vorsitzenden Franz Müntefering halten, nach dem Opposition vor allem eines ist, nämlich Mist.

    Wofür eine moderne, sozialdemokratische Partei heute eigentlich stehen soll, für eine Politik der konsequenten Umverteilung von oben nach unten oder eine Politik der ökonomischen Vernunft nach dem Beispiel von Gerhard Schröder – das spielt bisher allenfalls am Rande eine Rolle. Das Personelle überlagert, wieder einmal, das Programmatische. Ausgang ungewiss.

    Seit 1998 hat sie SPD 13 Millionen Wähler verloren

    13 Millionen Wähler hat die Partei seit Schröders Wahlsieg 1998 verloren – und das keineswegs nur an die Linke oder an die Grünen, ihre Kontrahenten auf der linken Seite des politischen Spektrums. Männer wie Schröder oder Tony Blair in Großbritannien waren vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie weite Teile der arbeitenden Mitte wie selbstverständlich hinter sich versammelten.

    Unter dem Druck der neuen Linken allerdings hat die SPD nach dem Streit um Schröders Sozialreformen genau diese Mitte aus den Augen verloren. Wähler, die sich fragen, warum die Steuern noch weiter steigen sollen, wenn heute schon ein Facharbeiter in der Automobilindustrie den Spitzensteuersatz zahlt. Die sich wundern, warum die Partei ihren früheren Vorsitzenden Sigmar Gabriel abwatscht, weil der ihr zu einer restriktiveren Flüchtlingspolitik rät. Die nicht einsehen wollen, warum jemand einen staatlichen Rentenzuschuss erhalten soll, wenn er neben seiner kleinen Rente noch Immobilien besitzt oder womöglich eine größere Erbschaft gemacht hat.

    Es sind diese sehr praktischen Gerechtigkeitsfragen, an denen die SPD im Moment scheitert. Natürlich muss eine Partei mit ihrer Geschichte und ihrer DNA die Menschen besonders im Fokus haben, die auch in einem prosperierenden Land wie der Bundesrepublik an der Armutsschwelle leben, die ihren Kindern keine Nachhilfestunden bezahlen oder sich später im Alter ihre Miete nicht mehr leisten können.

    SPD darf die arbeitende Mitte nicht vergessen

    Darüber aber darf die SPD die Menschen nicht vergessen, die Deutschland erst in die Lage versetzen, den derart Benachteiligten verlässlich zu helfen. Es ist die arbeitende Mitte, die unseren Sozialstaat mit ihren Steuern und Abgaben am Leben hält. Und diese arbeitende Mitte hat ein feines Gespür dafür, wo es draußen, im Land, noch gerecht zugeht und wo nicht.

    Ob die Sozialdemokraten jetzt in der Großen Koalition bleiben oder nicht, ist dabei nicht das entscheidende Kriterium. Solange die SPD so links sein will wie die Linke und so grün wie die Grünen, schaufelt sie, frei nach Güllner, weiter an ihrem eigenen Grab. Eine Macht kann sie nur in der Mitte wieder werden – und dazu braucht die SPD keinen neuen Lafontaine, sondern einen neuen Schröder. Einer von seinem Kaliber aber stand auch in München nicht auf der Bühne.

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