Fast wünschte man sich, extremistische und andere gefährliche Inhalte in den sozialen Medien ließen sich mit Tabak mischen, in dünnes Papier einrollen und rauchen. Zumindest in Markus Söder, so die Hoffnung, hätte man dann einen, der so laut nach Jugendschutz schreit, dass es noch in Berlin und Brüssel zu hören wäre. Kann man aber nicht, macht Bayerns Ministerpräsident also auch nicht, und so wird der besorgniserregende Rechtsruck, den Forscher unter jungen Menschen ausmachen und auch den sozialen Medien zuschreiben, wohl ohne echte Konsequenz bleiben.
Dabei wäre spätestens jetzt, da problematische Inhalte nicht nur die psychische Gesundheit unserer Jugend, sondern die Grundfeste unserer Demokratie gefährden, höchste Zeit für einen echten digitalen Jugendschutz. In der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ gibt ein Drittel der Befragten an, süchtig nach ihren Smartphones zu sein. Fast die Hälfte sagt, dass sich ihr Selbstbild durch die ständigen Vergleiche in den sozialen Medien verschlechtert. Die 45 Prozent, die mehr als vier Stunden täglich am Smartphone hängen, leiden deutlich häufiger unter Angstzuständen und Antriebslosigkeit, sind häufiger in psychologischer Behandlung.
Auf TikTok finden sich große Mengen extremistischer Inhalte
Das enorme Ausmaß extremistischer und gewaltverherrlichender Propaganda, der sich Jugendliche ausgesetzt sehen, setzt dem Ganzen die scheußliche Krone auf. Mit massiver Präsenz auf TikTok hat die in Teilen rechtsextremistische AfD ihren Stimmanteil unter jungen Menschen binnen eines Jahres verdoppelt. Islamisten nutzen TikTok so ausgiebig, dass sich der Verfassungsschutz damit beschäftigt. Und für Putin sind die sozialen Medien ideal, um sein spalterisches Gift quasi ungestört mitten in die deutsche Gesellschaft zu tragen.
Natürlich ist es wichtig, die Medienkompetenz junger Leute zu fördern und den Extremisten mit eigenen Inhalten argumentatorisch die Stirn zu bieten. Doch der anarchische Meinungspluralismus, der die sozialen Medien ausmacht und den man bespielen möchte, ist nur in seinem Inhalt wirklich frei. In der Form aber herrscht das Diktat der Algorithmen, der Aufmerksamkeitsökonomie und die ist darauf ausgelegt, Grenzüberschreitungen noch zu fördern.
Die Verantwortung liegt bei den Tech-Konzernen und nicht bei den Eltern
Die Gruppe der Linken im Bundestag forderte jüngst eine staatliche App, mit der Eltern den Medienkonsum Jugendlicher überwachen und einschränken können. Das ist der richtige Ansatz, und dennoch viel zu kurz gedacht. Es würde die Verantwortung auf die Eltern abwälzen, die wohl kaum die Zeit haben, täglich stundenlang Material zu durchforsten und dessen Gefährlichkeit abzuschätzen.
Die Tech-Konzerne sind es, die noch viel stärker in die Verantwortung gezogen werden müssen. Zwar haben Meta und Co. bereits heute mit Strafen zu rechnen, wenn sie extremistische Inhalte nicht schnell genug löschen, doch eigentlich müssten die sozialen Medien in ihrer jetzigen Form für Jugendliche verboten sein. Denkbar wäre eine eigenständige, für Jugendliche geeignete Version der Dienste, lückenlos moderiert und demokratisch kuratiert. Die Strafen für mangelnde Moderation sollten so hoch sein, dass sie nicht nur ein Kostenpunkt, sondern existenzgefährdend für die Unternehmen sind. In jedem Fall wird es schwer, die sozialen Medien einzuhegen. Aber es ist immer noch leichter, die Demokratie zu schützen, als sie sich zurückzuholen, wenn sie einmal verloren ist.