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Kommentar: Die Solidarität mit der Ukraine ist zerbrechlicher, als es scheint

Kommentar

Die Solidarität mit der Ukraine ist zerbrechlicher, als es scheint

Simon Kaminski
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    Ein chinesischer Kampfjetpilot bei einem Manöver rund um Taiwan. Peking will mit solchen Übungen die Invasion trainieren und die Bewohner der Insel einschüchtern.
    Ein chinesischer Kampfjetpilot bei einem Manöver rund um Taiwan. Peking will mit solchen Übungen die Invasion trainieren und die Bewohner der Insel einschüchtern. Foto: Uncredited, Cctv, Xinhua, AP, dpa

    Oft gehört, mit mehr oder weniger Pathos gesagt, geschrieben, gefordert – dennoch richtig: Es darf nicht Russland sein, das als Sieger aus diesem irrwitzigen Krieg hervorgeht. Es darf nicht die Ukraine sein, die in ein krankes, verbrecherisches System gezwungen wird. Ein System, in dem die Gerichte und Medien gleichgeschaltet sind, Menschenrechte nicht nur missachtet, sondern verhöhnt werden, in dem Kriegsverbrecher nicht verurteilt, sondern gefeiert werden. Das System Putin. 

    Keiner sollte sich von der abstrusen Kreml-Erzählung blenden lassen, dass Russland mit dem Angriff lediglich auf die Verletzung seiner Sicherheitsinteressen durch den Westen reagiert hat – es geht ausschließlich um rücksichtsloses imperiales Streben nach Macht. 

    Die Beteuerung, die Ukraine nicht im Stich zu lassen, fehlt in keiner Rede

    Dies ist Konsens unter fast allen Regierungen der Nato-Staaten. Die Beteuerung, die Ukraine nicht im Stich zu lassen, fehlt in kaum einer Rede der Staats- und Regierungschefs. Die Bekenntnisse dürften aufrichtig sein. Dennoch ist es ratsam, einen nüchternen Blick darauf zu richten, wie belastbar die Unterstützung für Kiew tatsächlich ist. Denn es gibt Aspekte, die das Potenzial haben, die Solidarität mit dem angegriffenen Land zu unterminieren, je länger der Krieg dauert. 

    Der russische Überfall hat eine Entwicklung abrupt abgebremst, die seit vielen Jahren zu beobachten ist: die tendenzielle Verlagerung der Interessen der Weltmacht USA von Europa in den indopazifischen Raum – politisch, ökonomisch, militärisch. Aktuell ist die US-Regierung von Präsident Joe Biden der mit Abstand wichtigste Verbündete und Waffenlieferant für die Ukraine. Doch diese Lebensversicherung, die es bei einem Wahlsieg von Donald Trump wohl so nie gegeben hätte, ist fragil. Sie würde im November 2024 wohl Geschichte sein, sollten Trump oder der kaum weniger radikale Ron DeSantis Amtsinhaber Joe Biden schlagen. Die Unterstützung aus den USA könnte in seinem derzeitigen Volumen aber schon früher zur Disposition stehen.

    Ein chinesischer Kampfjetpilot bei einem Manöver rund um Taiwan. Peking will mit solchen Übungen die Invasion trainieren und die Bewohner der Insel einschüchtern.
    Ein chinesischer Kampfjetpilot bei einem Manöver rund um Taiwan. Peking will mit solchen Übungen die Invasion trainieren und die Bewohner der Insel einschüchtern. Foto: Uncredited, Cctv, Xinhua, AP, dpa

    Und zwar dann, wenn der Konflikt um Taiwan eskaliert, wenn der chinesische Machthaber Xi Jinping es nicht mehr bei Drohungen und Militärmanöver belässt, die den demokratischen Inselstaat einschüchtern sollen. In diesem Fall müssten sich die USA und der Westen parallel entschieden gegen zwei Mächte wenden, die das Recht des Stärkeren als Weltgesetz durchsetzen wollen.

    Ein chinesischer Angriff auf Taiwan hätte unabsehbare globale Verwerfungen zur Folge

    Ob die USA tatsächlich militärisch in einen bewaffneten Konflikt um Taiwan eingreifen würden, ist die eine Sache, die andere ist, dass ein dann zwangsläufig einsetzender Handelskrieg unabsehbare globale Verwerfungen zur Folge hätte. Glaube keiner, dass Europa sich aus diesen Turbulenzen heraushalten könnte. 

    Noch ist es nicht so weit. Noch steht der Westen solidarisch an der Seite der Ukraine, findet – zuletzt auf dem G7-Treffen – klare Worte gegen China. Die Hoffnung bleibt, dass am Ende des Ukraine-Kriegs Verhandlungen stehen und nicht ein Sieg der Invasoren. Doch Friedensinitiativen müssten rationaler sein als der von innenpolitischen Problemen getriebene egomane Alleingang des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

    Solche Vorstöße wecken auch in Deutschland derzeit kaum realistische Erwartungen in der Bevölkerung, die wirtschaftlich massiv unter den Folgen des Angriffskrieges leidet. Sie könnten das Verlangen stärken, dass dieser Krieg einfach nur enden soll, egal wie. Doch ein Sieg Russlands wäre eine Katastrophe, die neue Katastrophen nach sich ziehen würde.

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