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Kommentar: Die Schwäche der CSU verschafft den Freien Wählern mehr Spielraum

Kommentar

Die Schwäche der CSU verschafft den Freien Wählern mehr Spielraum

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    Ministerpräsident Markus Söder und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind mehr denn je aufeinander angewiesen.
    Ministerpräsident Markus Söder und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind mehr denn je aufeinander angewiesen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Jetzt also Schwamm drüber. Alles, was war, soll vergeben, wenn auch nicht vergessen sein. Zum Jahresausklang hat Ministerpräsident Markus Söder seinem Stellvertreter und Koalitionspartner, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, sogar noch einmal ausdrücklich gedankt für die – man beachte die Formulierung – „jetzt doch wieder sehr gute Zusammenarbeit“. Er verglich, was CSU und Freie Wähler in der Staatsregierung verbindet, mit einem Bungee-Seil. Man entfernt sich, findet am Ende aber doch wieder zueinander.

    Zu den Dingen, die Söder vielleicht vergibt, aber nie vergisst, gehört die Wucht, mit der Aiwanger und seine Freien Wähler im Bundestagswahlkampf 2021 gegen die CSU unterwegs waren. Dazu gehört Aiwangers Last-Minute-Aktion am Wahlsonntag, als er gegen alle demokratischen Gepflogenheiten noch vor Schließung der Wahllokale falsche Umfragezahlen über soziale Medien verbreitete. Und dazu gehören Aiwangers Impfzögerlichkeiten und seine lange währende Dauer-Nörgelei über die Corona-Maßnahmen der Staatsregierung, denen er im Kabinett dann doch immer wieder zustimmte.

    Das Machtgefüge hat sich auch in Bayern verschoben

    Die Verbindung zwischen CSU und Freien Wählern als „gut und stabil“ zu bezeichnen, wie Söder das aktuell tut, trifft den Kern der Sache nicht. Sie ist, um ein Wort aus der Merkel-Ära zu verwenden, bestenfalls „alternativlos“. Lange Zeit hatte der CSU-Chef die Drohung in der Hinterhand, dass er sich im Ernstfall auch einen anderen Koalitionspartner suchen könnte. Die ins Regieren verliebten Freien Wähler mussten sich seinen grundsätzlichen Vorgaben nicht selten zähneknirschend beugen.

    Mit der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl haben sich die Koordinaten im politischen Machtgefüge in Bayern grundlegend verschoben. Wenn Söder bei seinem Plan bleibt, die bayerische Staatsregierung als Gegenentwurf zur Bundesregierung zu etablieren, dann ist er mehr als bisher und wahrscheinlich sogar über die Landtagswahl 2023 hinaus auf die Freien Wähler als Koalitionspartner angewiesen.

    Das gilt insbesondere für den Fall, dass er seine Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur nicht endgültig begraben hätte. In einer Koalition mit den Grünen oder der SPD könnte er sich jedenfalls nicht glaubhaft als Gegenentwurf präsentieren. Er wäre nur ein Ministerpräsident der Union unter mehreren. Und dass es in München für eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb reichen könnte, glaubt – Stand heute – niemand.

    Der CSU-Chef hat es mit einer neuen Gemengelage zu tun

    Hinzu kommt: Ihre neue Position im Parteienspektrum hat die CSU noch nicht gefunden. Mit der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Chef besetzt die große Schwesterpartei offenkundig die konservativ-wirtschaftsliberale Flanke. Merz steht für eine Politik, die in der CSU vor allem jenen gefällt, denen Söder längst zu grün erschienen war. Der CSU-Chef hat es mit einer ganz neuen Gemengelage zu tun. Er wird sich – wieder einmal – neu erfinden müssen. Zu sagen, dass die CSU in der Opposition im Bund nun von der Last befreit sei, Kompromisse schließen zu müssen, wird nicht reichen. Irgendwann wird er auch sagen müssen, was „CSU pur“ denn heute heißen soll.

    Diese Schwäche wird die Freien Wähler in der Staatsregierung erst einmal stärken. Sie stehen nicht unter dem Druck, einen Trend umkehren zu müssen. Ein Wahlergebnis von zehn Prozent plus x reicht ihnen wahrscheinlich allemal, um weiter am Kabinettstisch zu sitzen. Sie können sich also entspannt um ihre spezielle Wählerklientel –Landwirte, Gastronomen, kleine Mittelständler – kümmern und bei Gelegenheit mal austesten, wie weit die Flexibilität des Bungee-Seils in der Regierungsarbeit reicht.

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