Am Ende der Klimakonferenz COP27 siegte der menschliche Faktor und die Vernunft blieb auf der Strecke. Nach zwei Wochen anstrengender Debatten in klimatisierten Räumen bei teurem Essen und schlechtem Kaffee wollten die rund 35.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur noch eins: nach Hause. Profis provozieren diesen Effekt und ziehen Verhandlungen für ihre Zwecke künstlich so in die Länge, dass sie in ermüdenden Marathonsitzungen enden. Wer’s nicht glaubt, blickt einmal auf die wichtigsten Friedensverhandlungen, Koalitionsausschüsse, Bundestagssitzungen oder Tarifrunden der Vergangenheit. Die meisten endeten in den frühen Morgenstunden. Dabei kommt nicht immer etwas Gutes heraus, wie die Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh zeigt.
Bei der COP27 waren die reichen Staaten die Profis. Sie zücken jetzt das Scheckbuch und schaffen laut Abschlusserklärung „gemeinsame Finanzierungsmechanismen“, um den am stärksten von den Folgen der Erderhitzung betroffenen Ländern zu helfen. Sie tun das mühelos, sie haben die Mittel, aber der Klimaschäden-Fonds schüttet die Probleme lediglich mit Geld zu und löst sie nicht.
Kompromiss bei Klimakonferenz: Was ärmere Länder nicht sehen, sind Vorbilder für einen sparsamen Einsatz der Ressourcen
Wenn die armen Staaten auf das Ausland blicken, dann sehen sie Verschwendung, Luxus, Egoismus. Eine Fußball-Weltmeisterschaft in Katar etwa, die grotesk viel Energie verschwendet. Oder einen deutschen Bundespräsidenten, der eigens für die Verleihung des Henry-A.-Kissinger-Preises nach New York jettet. Sie sehen Industriestaaten, die für Einmalverpackungen und Vorweihnachtsgedöns Rohstoffe verschwenden und den Müll anschließend in ihren Ländern illegal entsorgen. Was sie nicht sehen, sind Vorbilder für einen sparsamen Einsatz der Ressourcen.
Der Klimaschäden-Fonds reiht sich damit in die anderen COP27-Beschlüsse ein, die allesamt nicht dazu beitragen, die Erderhitzung bis 2100 auf 1,5 Grad im Vergleich zum Jahr 1900 zu begrenzen. Beim derzeitigen Stand der Bemühungen würde man bei 2,6 Grad landen, jedes Zehntel mehr oder weniger hat dabei gravierende Auswirkungen.
Das bei der Klimakonferenz Beschlossene reicht nicht
Um das vor sieben Jahren in Paris formulierte Ziel zu erreichen, bräuchte es beispielsweise einen konsequenten Ausstieg aus fossilem Erdöl und Gas. Den jedoch hat die COP27 ausgeklammert und die deutsche Regierung ist da nicht ganz unschuldig. Kanzler Olaf Scholz will mit dem Senegal ein gemeinsames Projekt zur Förderung von Erdgas stemmen. Die Energie soll Deutschland helfen, über den Verlust russischen Gases hinwegzukommen, ist aber wegen seiner Umweltschädlichkeit hoch umstritten. Naturschützer protestieren, am Wochenende stellte sich in Person der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang auch der Koalitionspartner gegen den Plan. Scholz indes hat kaum eine Wahl. Der Energiehunger hierzulande mag durch die Krise kleiner geworden sein, er ist aber immer noch riesengroß. Beim Rest der Industrienationen sieht es nicht besser aus.
Umweltbewusste klebten früher einen Sticker auf ihre Ente oder ihren R4. „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“, stand dort zu lesen. Es soll sich um eine Weissagung der Cree-Indianer handeln, was möglicherweise nicht ganz stimmt. Der Wahrheitsgehalt dieses Satzes jedoch ist unbestritten.
Der Inselstaat Tuvalu etwa säuft gerade ab. Wären die westlichen Industriestaaten den Zielen gefolgt, die sie seit der COP1 im Jahre 1995 in immer neuen Varianten formulieren, und hätten sie ihr Verhalten entsprechend geändert, müssten die Bewohnerinnen und Bewohner wohl nicht den Verlust ihrer Heimat mitansehen. Geld hilft ihnen jetzt höchstens noch beim Umzug in eine ungewisse Zukunft.