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Kommentar: Die neue Türkei ist nicht mehr Erdogans Türkei

Kommentar

Die neue Türkei ist nicht mehr Erdogans Türkei

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    Erdogan verfehlte sein wichtigstes Ziel bei der Wahl, mit der AKP Istanbul zurückzugewinnen.
    Erdogan verfehlte sein wichtigstes Ziel bei der Wahl, mit der AKP Istanbul zurückzugewinnen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Eine Bürgermeisterwahl in Istanbul leitete vor genau 30 Jahren eine neue Ära in der Türkei ein: Damals betrat Recep Tayyip Erdogan die politische Bühne. Jetzt hat eine Wahl am Bosporus das Ende von Erdogans langer Karriere eingeläutet. Der Präsident hat die Kommunalwahl in Istanbul und in anderen Landesteilen am Sonntag krachend verloren. Seine Erfolgsrezepte der vergangenen Jahrzehnte funktionieren nicht mehr, eine neue politische Landschaft mit neuen Politikern entsteht. Noch ist Erdogan nicht am Ende. Doch die türkische Politik bereitet sich bereits auf die Zeit nach seinem Abgang vor.

    In der türkischen Politik gerät etwas ins Rutschen

    Bei Kommunalwahlen gelten zwar andere Regeln als bei Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen. AKP-Stammwähler konnten ihrem Präsidenten am Sonntag einen Denkzettel verpassen, ohne damit einen Machtwechsel in Ankara zu befürworten. Doch das Ausmaß des Oppositionssieges deutet darauf hin, dass in der türkischen Politik etwas ins Rutschen geraten ist, das von Erdogan möglicherweise nicht mehr zu stoppen ist. 

    Bei der Niederlage des Präsidenten kamen mehrere Faktoren zusammen. Die Wähler ärgerten sich über die Inflation von fast 70 Prozent, die Opposition präsentierte mit Ekrem Imamoglu eine überzeugende Führungspersönlichkeit. Hinzu kam Erdogans Hochmut. Er schickte in Istanbul und anderen Städten nicht die besten Politiker seiner Partei AKP ins Rennen, sondern schwache Kandidaten, deren wichtigste Eigenschaft die bedingungslose Loyalität zu ihm selbst war. Erdogan setzte darauf, dass die Wähler der Opposition zu Hause bleiben und dass seine eigenen Anhänger seinem Versprechen glauben würden, dass die Wirtschaft auf dem Weg der Besserung sei. Noch nie hat der erfolgsgewohnte Staatschef die Lage im Land so falsch eingeschätzt. 

    Erdogans Stern erblasste am Sonntag auch, weil die AKP erstmals von islamistischer Seite herausgefordert wird. Die Neue Wohlfahrtspartei (YRP) kam landesweit auf über sechs Prozent – das ist mehr als doppelt so viel wie bei den Parlamentswahlen vor zehn Monaten. YRP-Chef Fatih Erbakan ist ein Sohn des früheren islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan, des politischen Ziehvaters von Erdogan. Der junge Erbakan empfiehlt sich nun erfolgreich als saubere islamistische Alternative zur Korruption der AKP-Regierung. Erdogan wird es nach der verlorenen Wahl schwer haben, enttäuschte Wähler zurückzuholen. In der Wirtschaftspolitik wird er den Türken mit einer Sparpolitik noch mehr Opfer abverlangen müssen, wenn er die hohe Inflation stoppen will. Dabei beschweren sich wichtige Unterstützergruppen der AKP wie die Rentner schon jetzt, dass das Leben unerträglich teuer geworden sei. 

    Erdogan kündigt eine Militäroffensive gegen die Kurden an

    Der türkische Präsident dürfte nun wieder versuchen, seine Anhänger mit einer aggressiv-nationalistischen Außenpolitik auf andere Gedanken zu bringen. Schon vor dem Wahltag kündigte er für den Sommer neue Militärinterventionen gegen die kurdische Terrororganisation PKK im Irak und in Syrien an. Bei seiner Politik der Annäherung an den Westen dürfte Erdogan aber bleiben, denn er braucht Investoren und ein gutes Verhältnis zu Europa und den USA, etwa um die Zollunion mit der EU zu modernisieren. 

    Der Präsident propagiert seit Jahren eine „neue Türkei“, die er unter seiner Alleinherrschaft formen will. Nun zeichnet sich tatsächlich eine „neue Türkei“ ab – aber sie sieht anders aus, als Erdogan sich das vorstellt.

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