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Kommentar: Die gewagte Rechnung der SPD

Kommentar

Die gewagte Rechnung der SPD

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    Bundeskanzler Olaf Scholz nimmt nach seiner Rede beim Bundesparteitag der SPD in Berlin den Applaus entgegen.
    Bundeskanzler Olaf Scholz nimmt nach seiner Rede beim Bundesparteitag der SPD in Berlin den Applaus entgegen. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Elf plus fast 15, das macht Kanzler. Auf diese Rechnung setzt die gebeutelte SPD ihre ganze Hoffnung. Will heißen: Bei elf Prozent, also noch viel schlechter als heute, lagen die Umfragewerte 2019. Deutschlands ältester Partei drohte die Bedeutungslosigkeit. Zwei Jahre später fiel das Bundestagswahlergebnis rund 15 Prozentpunkte besser aus, 25,7 Prozent reichten zum Sieg. Heute sehen die Demoskopen die Sozialdemokraten bei 16 Prozent – kämen bis in zwei Jahren wieder 15 Zähler dazu, könnte Olaf Scholz das Kanzleramt verteidigen. 

    Natürlich wirkt das, als rechne sich die SPD ihre Lage einfach nur schön. Doch der Parteitag in Berlin hat den Wahlkampf eingeläutet und dessen Strategie gezeigt. Weniger reagieren, mehr regieren. Olaf Scholz macht in einer entschlossenen Rede klar, dass er seinem wohl bekanntesten Satz wieder gerecht werden will: Wer bei ihm Führung bestellt, bekommt sie. Die Duftmarken, die er und Parteichef Lars Kingbeil setzen, sind für Grüne und FDP warnender Schwefeldunst: All die Koalitionskonflikte mag die SPD nicht länger herunterdimmen. 

    Die SPD geht auf Konfrontation zu Grünen und FDP

    Nach Wahrnehmbarkeit japsend, ist die Kanzlerpartei überzeugt, dass ein Großteil der Ampel-Misere aufs Konto der Grünen mit ihrem anfangs verbockten Heizungsgesetz geht. Jetzt, dieses Signal geht an die Ökopartei, darf Klimaschutz Bürger und Wirtschaft nicht mehr überlasten. Beim klaren Bekenntnis zur Industrie kommt zwar der Verweis auf die Notwendigkeit des klimafreundlichen Umbaus, aber an zweiter Stelle – nach den Arbeitsplätzen. Das ist ein entscheidender Unterschied zum grünen Koalitionspartner, der oft nicht allzu traurig wirkt, wenn Branchen, die heute noch "schmutzig" sind, ins Ausland abwandern. 

    Erkennbar ist, dass die Strategen im Willy-Brandt-Haus sich wieder voll auf die arbeitende Bevölkerung als Zielgruppe konzentrieren und kapiert haben, dass die auf den erhobenen Zeigefinger der Politik allergisch reagiert. Wenn die SPD-Granden jetzt betonen, dass es in Ordnung geht, mit dem Auto zu fahren, „nach Malle“ zu fliegen, Fleisch zu grillen oder auf Gender-Sprache zu verzichten, ist das ein Seitenhieb auf grüne Oberlehrer-Attitüden. 

    Auch gegenüber der FDP und ihrem Chef, Finanzminister Christian Lindner, rammt Scholz dicke Pflöcke ein: Hände weg vom Bürgergeld, bei Sozialleistungen gibt es mit Sozialdemokraten im Haushaltsstreit nichts zu verhandeln. Leistungsempfänger, das sind in der Parteitagsrhetorik meist alleinerziehende Mütter, die ohne eigenes Zutun in Not geraten. Wer denen was wegnehmen will, ja was sind das nur für Leute? 

    Bürgergeld und Migration: Widersprüche bleiben

    Doch den Widerspruch, dass es Bürger gibt, die arbeiten könnten, es aber nicht tun, und so den Sozialstaat gefährden, wird die SPD auflösen müssen. Ebenso hat die Parteispitze bei der Migration den Ball sehr flach gehalten, denn die Jusos und der linke Flügel halten mehr Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung ja für Teufelswerk. Scholz weiß jedoch, dass er da nachschärfen muss, sonst wird es für die SPD bei den drei Landtagswahlen im Osten im kommenden Jahr noch übler ausgehen als ohnehin befürchtet. 

    Auch wenn die Union in Umfragen doppelt so gut dasteht, sie sollte nicht unterschätzen, wie entschlossen Genossen kämpfen können. Sie werden weiter alles tun, den CDU-Chef und mutmaßlichen Kanzlerbewerber Friedrich Merz als Fürsten der sozialen Finsternis zu zeichnen. Wandlungsfähig hat sich die SPD in ihrer Geschichte immer wieder gezeigt. Die Comeback-Rechnung gründet auf der Formel „Sozialdemokratie pur“: Wir, die Partei der kleinen Leute, gegen die Reichen mit dem eiskalten Kapitalistenherz. 

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