Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Die geplante Strompreisbremse ist teuer und riskant

Kommentar

Die geplante Strompreisbremse ist teuer und riskant

Michael Pohl
    • |
    Hinter der Strompreisbremnse stehen viele Fragezeichen. Dabei ginge es auch viel einfacher, findet unser Autor.
    Hinter der Strompreisbremnse stehen viele Fragezeichen. Dabei ginge es auch viel einfacher, findet unser Autor. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Viele Menschen öffnen derzeit die Post ihrer Stromversorger und trauen ihren Augen kaum. Wo dieses Jahr noch ein Betrag von gut 30 Cent für eine Kilowattstunde fällig war, prangen für 2023 plötzlich Beträge von über 50 Cent. Oder gar 62 Cent wie in München, wo die Stadtwerke eine Preiserhöhung um satte 123 Prozent für Januar ankündigten. Und das, obwohl nur ein Bruchteil des Stroms in teuren Gaskraftwerken erzeugt wird.

    Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

    Nicht nur Privathaushalte trifft der Stromschlag, manch Gewerbetreibende bangen um ihre Existenz. Als Hilfe verspricht die Bundesregierung nun auch für Strom eine Preisbremse. Doch ähnlich wie bei der vermurksten Gasumlage, mit der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seinen Mythos als grüner Überflieger im Bundeskabinett zerstörte, handelt die Regierung erneut frei nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

    Geht es nach den Plänen der Koalition, sollen Privathaushalte und Mittelstand für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs maximal 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Darüber hinaus würden die saftigen Preiserhöhungen fällig. Doch die Entlastung ist fraglich: Zahllose Energieversorger klagen, dass die aufwendige Rechnungsumstellung für 40 Millionen Haushalte kaum zu stemmen sei, schon gar nicht bis Neujahr.

    Wer bezahlt die Strompreisbremse?

    Eine noch fragwürdigere Luftbuchung droht bei der Finanzierung: Die Regierung will sich einen Großteil der notwendigen Milliardensummen bei den Stromproduzenten holen, die dank der in die Höhe geschossenen Strombörsenpreise oft das Geschäft ihres Lebens machten. Die Koalition will den Reibach als „Zufallsgewinn“ am besten rückwirkend „abschöpfen“.

    Schon jetzt rüsten sich seitens der Energieerzeuger Heerscharen von Anwaltsbüros für eine Abwehrschlacht gegen die rechtlich umstrittenen Pläne. Lobbygruppen warnen, der Staat zerstöre mit dem geplanten Griff in die Kasse den dringend erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Am Ende könnten Steuerzahler und Schuldenkasse für die Koalitionspläne allein herhalten müssen.

    Wann wird endlich das „Merit-Order“-Prinzip reformiert?

    Dabei gäbe es tatsächlich eine einfache Lösung. Bei der Gasumlage war es die Verstaatlichung des systemrelevanten Zwischenhändlers Uniper. Beim Strom wäre es die längst diskutierte Reform des ins Absurde abgerutschten Marktprinzips, wonach jeder Erzeuger am Ende den Preis des teuersten Anbieterzuschlags erhält: So diktiert der hohe Gaspreis ohne Not den Strompreis aller Kraftwerke.

    Dieses sogenannte „Merit-Order“-Prinzip war für kurzfristige Ausnahmesituationen zur Stabilität der Versorgung gedacht, inzwischen hat es aber den Strommarkt in einen Ausnahmezustand katapultiert. Selbst die EU-Kommission hat dringend eine Reform angemahnt. Passiert ist zur Freude großer Energieerzeuger und mancher Zwischenhändler nichts. Das meiste von dem Geld aus den hohen Stromrechnungen fließt nun in deutsche Taschen und nicht etwa an Flüssiggaslieferanten.

    Zahlt Deutschland bald die höchsten Strompreise der Welt?

    Statt das Problem an der Wurzel anzupacken, wird die Koalition ihr Modell wohl als Anreiz zum klimafreundlichen Energiesparen verkaufen. Die Deutschen sind ohnehin gewohnt, dass die Politik für Klima und Atomausstieg die Preise hochtreibt. Mit der Erneuerbare-Energien-Umlage subventionierten sie die Solar- und Windenergie bis zur Marktreife: Ökostrom kann heute weltweit so billig wie nie produziert werden. Nur profitiert haben die Deutschen davon nie: Ab Januar drohen ihnen womöglich die höchsten Strompreise der Welt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden