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Kommentar: Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste

Kommentar

Die gefährliche Schlagseite der Lützerath-Proteste

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    Rauch, Hindernisse, Stolperfallen -- die Polizei beim Barrikadenkampf in Lützerath.
    Rauch, Hindernisse, Stolperfallen -- die Polizei beim Barrikadenkampf in Lützerath. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Die Blockade des Weilers Lützerath erinnert ungut an die Protestkultur der 70er und 80er Jahre in Westdeutschland. Endzeitstimmung paart sich mit Gewaltbereitschaft, Militanz und Kapitalismuskritik. Sprösslinge des Bürgertums recken die linke Faust der Kommunisten. So hat sich die Anführerin der Proteste für mehr Klimaschutz, Luisa Neubauer, in dem Örtchen am Braunkohletagebau in Szene gesetzt. Der Kampf geht weiter. 

    Damals wie heute stellt sich die alte Frage nach dem heiligen Zweck und den groben Mitteln, um ihn zu erlangen. Das Ziel ist edel. Wenn die Kohle unter Lützerath im Boden bleibt und nicht im Kraftwerk verfeuert wird, dann gelangt weniger Treibhausgas in die Atmosphäre. Der Klimawandel wird gebremst, wenn auch nur minimal. 

    Vier Gründe gegen die Blockade von Lützerath

    Bei genauerer Betrachtung ist der Preis für das edle Ziel hoch, zu hoch. Und das aus vier Gründen. Der erste Grund hat mit dem Ergebnis zu tun, das durch die Besetzung Lützeraths erreicht werden soll. 

    Für das Kohlendioxid, das der Energiekonzern RWE durch die Verbrennung im Kraftwerk aus den Schloten jagte, müsste er Verschmutzungsrechte kaufen. Für diese wird europaweit eine Gesamtmenge festgelegt. Würde RWE keine Rechte für die Lützerather Kohle kaufen, blieben sie frei und es könnte zum Beispiel ein Kohlekraftwerk in Polen zugreifen oder ein Stahlwerk in Italien. Unter dem Strich ist für den Klimaschutz nichts gewonnen. 

    Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat im Widerstand in Lützerath den Klassenkampf für sich entdeckt.
    Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat im Widerstand in Lützerath den Klassenkampf für sich entdeckt. Foto: Christoph Reichwein, dpa

    Neben diesem technisch anmutenden Grund gibt es drei weitere, die gegen den Widerstand der Klimaschützer sprechen. Sie haben mit dem Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft zu tun. Die Einigung mit RWE ist von den demokratisch bestimmten Regierungen im Bund und in Nordrhein-Westfalen geschlossen worden. Während in nächster Zeit mehr Kohle verheizt wird, schließt der Konzern seine alten Kraftwerke und Braunkohletagebaue acht Jahre früher als ursprünglich geplant. Der Gewinn für den Klimaschutz ist ungleich größer, weil die EU die Gesamtmenge der CO2-Zertifikate absenken will. 

    Unverzichtbar für das Zusammenleben in der Demokratie ist es, die Beschlüsse der von der parlamentarischen Mehrheit getragenen Exekutive zu akzeptieren. Passen sie einem nicht, steht der Rechtsweg offen. Dieser ist zugunsten von RWE ausgeschöpft. Das Unternehmen hat das Recht, die Kohle abzubauen. Gerichtsurteile zu akzeptieren, ist ebenfalls integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Friedens. Die Lützerather haben das übrigens getan und sind alle gegen Entschädigung aus ihrer Heimat fortgezogen. Die Klimaschützer haben natürlich das Recht, gegen den Kohlebergbau zu protestieren, müssten aber ihren Protest nach Aufforderung der Polizei friedlich beenden

    Wider den finsteren Staat und bösen Konzern

    Weil sie sich aber über die Spielregeln des Zusammenlebens erheben, wird versucht, der Polizei die Schuld zuzuschieben. Die Klimaschützer haben sich verbarrikadiert, angespitzte Holzpfähle in den Boden gerammt und Reifenstapel angezündet, um nach der Räumung den Polizisten unnötige Härte und Gewalt zuzuschreiben. So schaffen sich die Aktivisten selbst eine Legitimation der finsteren Staatsmacht, bauen aber auf die Schlagkraft von einigen hundert Linksradikalen als eiserner Garde. Für jene ist RWE der böse kapitalistische Konzern. 

    Sie vergessen dabei, dass RWE mittlerweile der größte Verbündete für den Klimaschutz ist. Das Unternehmen wird in den kommenden Jahren Milliarden in Windparks und Solarfelder investieren. Gleichzeitig ist der Energieversorger ein wichtiger Ansprechpartner der Regierung, wenn es um das Beschaffen von Flüssiggas in der Energiekrise geht. Ohne RWE und andere große Unternehmen der Energiewirtschaft wird die grüne Wende nicht glücken

    Kein Nutzen für den Klimaschutz, Herabsetzung des Demokratieprinzips, Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und Unternehmensfeindlichkeit – der Protest in Lützerath hat eine gefährliche Schlagseite. Der Kampf um das Dörfchen ist rein symbolisch. Dafür nehmen die Aktivisten großen Schaden in Kauf. 

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