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Kommentar: Die Gaspreisbremse ist wenig gerecht, aber bitter nötig

Kommentar

Die Gaspreisbremse ist wenig gerecht, aber bitter nötig

Michael Pohl
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    Der Vorschlag der Gaspreisbremse-Kommission soll laut SPD-Politikerin Mast schnell wirken.
    Der Vorschlag der Gaspreisbremse-Kommission soll laut SPD-Politikerin Mast schnell wirken. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Alle reden vom Gas, Millionen Deutsche fürchten sich vor der nächsten Heizungsrechnung. Über das Wochenende zerbrach sich eine Expertenkommission aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Energieversorgung, und Wohnwirtschaft die Köpfe über eine Gaspreisbremse. Wohlwissend, dass am Ende nur ein eher schlechter als rechter Kompromiss rauskommen konnte.

    Denn die finanziellen Folgen durch Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und den schamlosen Liefervertragsbruch der russischen Gaskonzerne wiegen schwer. Auf der anderen Seite stehen nun 200 Milliarden Euro Steuergeld, um die Folgen für die Bevölkerung und Wirtschaft abzumildern. Die Frage lautet nicht nur, ob dieses Geld reicht, sondern vor allem, wie es am sinnvollsten angelegt ist.

    Die Menschen in den Städten, wo Gas-Zentralheizungen Standard sind, werden froh um jede Entlastung sein. Auf dem Land fragen sich dagegen viele, wie gerecht die Gaspreisbremse ist. In Bayern zum Beispiel, wo knapp 60 Prozent der Menschen abseits von Klein- und Großstädten auf dem Land leben, heizen viel mehr Haushalte mit Öl statt Gas. Viele haben ihre Tanks zum doppelten Heizölpreis aufgefüllt – ohne Preisdeckel. Wer aber mit Gas heizt, wird wohl froh sein müssen, wenn sich die Kosten mit der Preisbremse „nur“ verdoppeln.

    Die Gasspeicher sind aktuell fast vollständig gefüllt

    Die Kostenprognosen enthalten viele Unbekannte: Momentan liegt der Marktpreis für Gas viermal so hoch wie vor einem Jahr. Das liegt aber vor allem daran, dass der Bund im wahrsten Sinne „koste es, was es wolle“ die Gasspeicher für den Winter aufgefüllt hat und damit nach den Marktgesetzen die Preise hochgetrieben hat.

    Dass die Speicher rechtzeitig fast vollgepumpt sind, muss man Wirtschaftsminister Robert Habeck hoch anrechnen. Erheblich geschmälert wird die Leistung aber dadurch, dass der Grüne nicht versucht hat, durch staatliche Eingriffe in den Energiebörsenhandel zu verhindern, dass künstlich hohe Gaspreise wegen krisenuntauglicher Preis-Mechanismen voll auf die Stromkosten durchschlagen.

    Auch beim Gas muss sich erst noch zeigen, ob die Markt-Mechanismen tatsächlich zu stetig sinkenden Preisen führen: Wenn die Gasspeicher ins Netz geleert werden, steigt das Angebot und hoffentlich sinkt gleichzeitig durch Energiesparen der Bevölkerung die Nachfrage. Zu diesem komplizierten Wechselspiel kommt aber die Entwicklung der Weltmarktpreise für Erd- und Flüssiggas. Denn die vielen Milliarden aus dem von Kanzler Olaf Scholz ausgerufenen „Doppel-Wumms“ landen nur kurz in den Händen der Deutschen. Das Geld fließt in die Erzeugerländer. Nicht mehr nach Russland, sondern zum Beispiel nach Norwegen, USA oder Katar, die sich über Rekordeinnahmen freuen können.

    Ist ein nationaler Alleingang bei der Gaspreisbremse ein Fehler?

    Dennoch ist die Entlastung der Privathaushalte und Unternehmen in Deutschland bitter notwendig: Ein Einbrechen der Inlandsnachfrage und Produktion würden die Krise immer weiter verschärfen. Die Regierung muss sich aber die Frage stellen, ob ein nationaler Alleingang bei der Gaspreisbremse wie bereits in der Euro- und Flüchtlingskrise oder dem Bau der Russland-Pipelines ein erneuter Irrweg ist. Der Gaspreisdeckel, den die EU auf die ausländischen Erzeugerpreise vorschlägt, ist zwar riskanter, als den Steuergeldhahn aufzudrehen. Aber es wäre in jeder Hinsicht billiger und verspricht auch mehr „Wumms“.

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