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Kommentar: Die Front gegen Putin zeigt Risse, aber sie steht noch

Kommentar

Die Front gegen Putin zeigt Risse, aber sie steht noch

Simon Kaminski
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    Der russische Präsident Wladimir Putin mit Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.
    Der russische Präsident Wladimir Putin mit Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Foto: Sergei Chirikov, EPA/dp

    Die Situation des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist mehr als 100 Tage nach dem Überfall auf die Ukraine prekär. Die Sanktionen werden die russische Wirtschaft langfristig erheblich beschädigen – auch wenn sie den Krieg nicht stoppen können. Die Streitkräfte haben sich in der

    Der russische Präsident Wladimir Putin mit Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Der Kreml-Chef hofft darauf, dass die Einigkeit des Westens nicht weitere Risse erhält.
    Der russische Präsident Wladimir Putin mit Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Der Kreml-Chef hofft darauf, dass die Einigkeit des Westens nicht weitere Risse erhält. Foto: Sergei Chirikov/EPA/dp

    Andererseits wird sichtbar, dass die Solidarität der Gegner Putins Risse bekommt. Alles andere wäre allerdings auch erstaunlich gewesen. Gerne übersehen wurde lange, dass viele Länder in Afrika, Asien oder Lateinamerika schon zu Kriegsbeginn nicht bereit waren, sich von Russland zu distanzieren. Meist aus pragmatischen Gründen. Oft geht es um billiges Öl und Gas.

    Peking will mit der russischen Karte den Druck auf auf den Westen verstärken

    Bei China oder Indien liegt der Fall anders. Peking sieht neue Optionen, die USA und den Westen mit der russischen Karte unter Druck zu setzen. Indien hofft auf mehr Spielraum für eigene ehrgeizige Großmachtpläne. Die Türkei hat ihre Schaukelpolitik zwischen Nato und Russland auch nach Kriegsbeginn unbeirrt fortgeführt. Besonders ärgerlich aus europäischer Sicht ist die Blockadepolitik des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán. Wahr ist allerdings auch, dass viele EU-Mitgliedsländer gar nicht unglücklich darüber sind, dass der illiberale Quertreiber in Budapest die Loslösung von russischen Brennstoffen bremst. Kontraproduktiv wäre es, jetzt über die Details eines ukrainischen EU-Beitritts zu streiten. Klar sollte sein: Die Tür steht offen. Kiew nach Brüssel durchzuwinken, ist aber der falsche Weg, das würde die Gemeinschaft nur schwächen.

    Putin weiß, dass die Nerven in der EU angespannt sind. Krieg und Sanktionen treffen nicht nur Russland, sondern auch Europa. Eine der Folgen ist die Energiekrise, die erst längerfristig auch zu einer Chance im Kampf gegen den Klimawandel werden könnte. Aktuell jedoch fürchten viele Europäer stark steigende Öl- und Gaspreise, ja einen sozialen Abstieg. Das muss die Politik in den einzelnen Mitgliedsländern beachten und gegensteuern.

    Der Beitrag Deutschlands ist zu inneffektiv und zu gering

    Dennoch sollten die EU und die wieder erstarkte Nato Kurs halten – trotz unsicherer Kantonisten in den eigenen Reihen. Wenn die führenden Länder des Westens ohne Rücksprache eine Politik gegenüber Russland auf eigene Rechnung beginnen würden, hätte nur Putin etwas davon. Noch steht die überwältigende Mehrheit der westlich orientierten Staaten zu den Sanktionen – jetzt sollen auch Kampfpanzer und moderne Distanzwaffen an die Ukraine geliefert werden. Das birgt Risiken. Eine Sprache der Stärke und die entschlossene Verteidigung von Demokratie und Selbstbestimmungsrecht sind aber notwendig, um Russland zu stoppen. Dazu ist der Beitrag Deutschlands nach wie vor zu ineffektiv, zu intransparent und auch zu gering.

    Telefongespräche westlicher Staatenlenker mit Putin sind legitim, am Ende können aber nur ernsthafte Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine eine Lösung bringen. Dazu wird Putin nur bereit sein, wenn der Angriffskrieg endgültig in der Sackgasse angelangt ist. Zuletzt häuften sich die Warnungen, dass der Westen Russland nicht erniedrigen darf – doch das erledigt der Kreml Tag für Tag in Eigenregie. Eine Niederlage Russlands böte die Chance, dass der Putinismus untergeht. Erst dann wird es denkbar sein, eine Zukunft zusammen mit Moskau zu gestalten.

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