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Kommentar: Die FDP ist zum Regieren verdammt

Kommentar

Die FDP ist zum Regieren verdammt

Rudi Wais
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    Christian Lindner will den Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommenssteuer rückwirkend zum 1. Januar 2024 erhöhen.
    Christian Lindner will den Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommenssteuer rückwirkend zum 1. Januar 2024 erhöhen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der Gedanke ist zu faszinierend, um ihn nicht kurz weiterzuspinnen. Entnervt von den ständigen Auseinandersetzungen mit Sozialdemokraten und Grünen verlässt die FDP die Ampelkoalition. Christian Lindner wiederholt sein Mantra, dass es im Zweifel besser ist, nicht zu regieren als falsch zu regieren – und spekuliert auf vorgezogene Neuwahlen, nach denen die Union den Kanzler stellt und seine Liberalen Teil einer neuen, weniger widersprüchlichen Koalition werden. Die ökonomische Vernunft habe sich durchgesetzt, wird Lindner dann sagen, und dass Deutschland dies der

    Die Partei steht in der Pflicht

    So weit, so naiv. Zu glauben, die taumelnde FDP lasse sich nur mit einem Ausstieg aus der Ampel retten, wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Die Liberalen stünden als Partei da, die sich in einer der schwierigsten Situationen der jüngeren Geschichte, mit einem Krieg in Europa, mit gewaltigen finanziellen Zwängen, einer anhaltenden Rezession und einer fragilen Energieversorgung, aus der Pflicht stiehlt. Als Partei, die taktiert anstatt zu regieren, und die zuerst an sich denkt und nicht an das Land, das die Wähler ihr mit anvertraut haben. Gegen diesen Vorwurf, den Genossen und Grüne ja bei jeder Gelegenheit in die Republik hinausposaunen würden, stünde auch der beste Wahlkämpfer auf verlorenem Posten. 

    1982 der Architekt der Wende: Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP)
    1982 der Architekt der Wende: Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP)

    Anders als im Wendejahr 1982, als die FDP in einer wirtschaftlich ähnlich schwierigen Lage mitten in der Wahlperiode dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt die Gefolgschaft aufkündigte und buchstäblich über Nacht zu Helmut Kohl überlief, sind die Liberalen heute nicht mehr die Königsmacher. Sie werden gebraucht, ja, aber nicht mehr um jeden Preis. Das weiß auch ihr Vorsitzender Lindner, der zwar gerne über den bemerkenswerten Schritt der FDP damals sinniert, der aber kein politischer Vabanque-Spieler ist. Als Finanzminister ist er überdies der mächtigste Mann im Kabinett nach dem Kanzler und durchaus in der Lage, seine FDP in der Koalition stärker als bürgerliches Korrektiv neben zwei staatsgläubigen linken Partnern zu profilieren. 

    Lindner – der Oppositionsführer in der Koalition?

    Der heftige Widerstand gegen die von Familienministerin Lisa Paus stümperhaft geplante Kindergrundsicherung und die Forderungen nach einem Update des ausufernden Bürgergeldes und einer Entschärfung der Steuerprogression entspringen genau dieser Kalkulation. Ob sie aufgeht? Unklar. Lindner balanciert jedenfalls auf einem schmalen Grat. Wenn sich der Eindruck manifestieren sollte, er sei in der Koalition eine Art Oppositionsführer, wird die FDP kaum aus ihrem Umfragetief herauskommen. Die Liberalen werden dafür gewählt, was sie durchsetzen und nicht für das, was sie verhindern. Sie stehen für eine Politik, bei der sich Leistung wieder lohnt und die erst erwirtschaftet, was später dann verteilt wird. Das klingt klischeehaft bis banal, ist in der Ampel mit ihren Sondervermögen, Transformationsfonds und Schattenhaushalten aber alles andere als selbstverständlich. 

    Die inneren Widersprüche in der Koalition sind groß genug, um auch ein vorzeitiges Scheitern mit ins Kalkül zu ziehen – und die Sollbruchstelle könnte der Streit um die Kindergrundsicherung sein, in dem die liberale Schule der Eigenverantwortung und die Fürsorgementalität von SPD und Grünen sich hart im Raum treffen. Wünschen aber sollte sich einen Koalitionsbruch auch der frustrierteste Freidemokrat nicht. Er könnte der Anfang vom Ende der FDP sein. 

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